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Winterkind

Winterkind

Titel: Winterkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Mer
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Öfen.“
    Sie öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Die riesigen, tonnenartigen Gewölbe in der Halle – das waren Öfen?!
    Willem setzte sich die Mütze wieder auf, musterte sie kurz und ziemlich direkt unter dem Schirm und sagte:
    „Passen Sie mal auf, ich erklär’s Ihnen. Das Gemenge wird geschmolzen, Quarz, Mineralien und so weiter. Material für das Glas. In einer Schmelzwanne. Einem Schmelzofen. Alles klar soweit? Wir haben kontinuierliche Wannen“, er sprach das lange Wort ganz ohne Stocken aus, „das Neueste vom Neuen. Da läuft die Schmelze Tag und Nacht, ohne Pause. Großartiger Fortschritt! Von der Rauschmelze geht’s in die Läuterung, das ist eine andere Abteilung in der Wanne. Damit’s keine hässlichen Blasen gibt und das Glas klar wird, verstehen Sie? Mit Schwefel, das stinkt und dampft ganz ordentlich! Is aber notwendig. Das Glas sieht sonst nicht gut aus, nicht mal für Gebrauchsglas. Viel anderes machen wir hier ja nicht mehr, seit der Herr das Ganze übernommen hat. Nur mit dem alten Ofen“, er deutete auf den roten Kegel, der dick und gewaltig rechts neben der Halle in den blassen Himmel ragte, „mit dem Turmofen, da haben wir früher noch büschn feinere Sachen gemacht. Aber das lohnt sich nicht mehr. Tja, das ist eben jetzt eine neue Zeit, da kann so ein oller Ofen nich mehr mithalten, wo bloß paar Liter reingehn!“
    „Das da“, fragte Sophie schwach, „das da ist auch ein Ofen, wollen Sie sagen?“ Unwillkürlich legte sie den Kopf in den Nacken und starrte nach oben. Der Turm musste mindestens zwanzig Meter hoch sein.
    Willem lachte vergnügt.
    „Natürlich! Hat mächtig Zug, so ein Ding. Luftzug, verstehen Sie? Wehe, wenn da mal was unkontrolliert abläuft, der hört nicht so schnell auf zu brennen. Aber wir haben unten Stahltüren eingesetzt, sehn Sie? Nach draußen die, und eine innen, zur Halle. Da kann nichts passieren, auch wenn’s in der Halle mal wild zugeht. Das kann schon mal vorkommen. Wir experimentieren jetzt ja auch viel, mit Arsenik und so. Sagen Sie’s aber keinem weiter, das sind Geschäftsgeheimnisse!“ Wieder dieser stolze Blick. Willem warf sich in die Brust, als gehörte die Glashütte ihm. Dann runzelte er drohend die Augenbrauen und sagte: „Spione, wissen Sie? Gibt ja viel Gesindel heute in der Industrie. Und grade, wenn so viele entlassen werden wie jetzt, kann schon mal einer auf dumme Gedanken kommen. Na, die Besten bleiben immer in Lohn und Brot!“
    Er freute sich so unverblümt darüber, dass er selbst offensichtlich zu diesen Besten gehörte, dass er für einen Moment wie ein zu groß geratener Junge wirkte, den der Lehrer vor der ganzen Klasse gelobt hatte. Sophie fühlte sich angesteckt von seinem Lachen, seiner leichten Art.
    „Verstehe“, sagte sie lächelnd, obwohl sie nichts verstand.
    „Was ist denn nun eigentlich los, Frollein? Sie wollten doch was!“
    „Oh, ja.“ Sophie war abgelenkt. Eine neue Gruppe Arbeiter sammelte sich jetzt um etwas, das sie bei näherem Hinsehen als Bierfass erkannte. Es stand gleich neben dem großen Tor. Sie hatten Blechbecher in den Händen, aus denen es höchst alkoholisch roch. Es machte ihr ein ungutes Gefühl. Aus der Warteschule wusste sie zu genau, was Alkohol anrichten konnte. Wie er die Gesichter von braven Vätern und Söhnen in Menschenfratzen verwandeln konnte, aus denen der Geifer sprühte. Herr von Rapp, dachte sie verwundert, müsste doch eigentlich dagegen vorgehen, dass hier am helllichten Tag … Oder wusste er gar nichts davon?
    Willem war ihrem Blick gefolgt.
    „Gucken Sie man nicht so scheel, Frollein. Das sind alles brave Burschen, gute Arbeiter mit feinen Familien. Die Arbeit da drin macht durstig. Sehr durstig. Können Sie’s sich nicht vorstellen?“
    Sophie war beschämt.
    „Verzeihen Sie, Willem“, sagte sie leise. „Ich habe einfach keine Vorstellung von … von all diesem. Wollen Sie mir mein Unwissen bitte nicht krummnehmen?“
    „Na!“ Willem zog die Augenbrauen in einem Bogen hoch und ließ die blauen Augen darunter lustig funkeln. „Das ist doch mal was, eine regelrechte Entschuldigung von so einem feinen Frollein! Ich dank auch schön, und es ist alles in Ordnung. Jetzt will ich aber doch endlich wissen, weshalb Sie hierhergekommen sind.“
    Sie hielt ihn von der Arbeit ab.
    „Natürlich“, beeilte sie sich zu sagen, „es ist auch keine große Angelegenheit. Wir haben nur ein kleines Problem drüben im Herrenhaus – eine sehr schwere Kiste, die

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