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Winterkind

Winterkind

Titel: Winterkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Mer
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nie wieder aus dem Zimmer bekam? Und was, wenn man sie nie wieder aus dem Zimmer bekam? Man hörte in letzter Zeit so vieles, von Streiks und Geschrei nach Versicherungen … Aber Johann behandelte seine Arbeiter sicher gut. Es gab doch wohl keinen Grund für sie, etwa … unhöflich zu werden? Und doch … Johanns Stirn war in der letzten Zeit so oft gerunzelt, wenn er von der Hütte kam. Es hing alles irgendwie mit dem Geld zusammen, mit Aktien und Rechnungen und Mahnungen, über die er mit ihr nicht sprach.
    Sie sah Lieschen ins Gesicht. Es lag nur eine Frage darin, ein wenig Verschämtheit noch und etwas wie – Hoffnung? Eine kleine Hoffnung, ihrem Liebsten zu etwas mehr Ansehen bei der Herrschaft zu verhelfen.
    Sie brauchen uns schließlich, dachte Blanka. Natürlich brauchen sie uns. Aber wir – wir brauchen sie auch …
    Kaufleute , flüsterte eine Stimme von ferne in ihr, sind doch nicht mehr als Krämerseelen, und wenn sie sich auch Geheimräte nennen und Titel kaufen, die ihnen nicht zustehen. Die große Mode sind sie jetzt geworden, und alle Welt macht ihnen schöne Augen. Und sie wollen so gern sein wie wir … Doch lädt man sie zum Diner, schätzen sie nur verstohlen den Preis des Kristalls und schlingen Kostbarkeiten wie Borstenvieh in sich hinein. Kaufleute! Pöbel sind sie. Wissen nichts von Lebensart. Was Wunder, wenn sie sich doch ständig mit allerniedrigstem Gesindel umgeben … und es sie dann am Ende in Stücke reißt.
    Verschwamm Lieschens Miene plötzlich vor ihren Augen? Verzerrten sich die Züge, wurde der fragende, bittende Ausdruck zu einer gierigen Fratze?
    „Na, meine Liebe, gibt es irgendwelche Schwierigkeiten?“
    Sie hatte Johann nicht kommen gehört. Er stand im Flur, einen Federhalter noch in der Hand. Lieschen wich zurück und knickste hastig. Als er die Holzspäne sah und die losen Bretter, riss er verblüfft die Augen auf.
    „Aber was machen Sie denn da nur? Mein liebes, liebstes Kind! Ich dachte, wir hätten uns geeinigt. Das ist Männerarbeit, das wissen Sie doch.“
    Blanka wischte sich über die Stirn.
    „Ach“, sagte sie hilflos, „ich bin einfach – dumm gewesen.“
    Er lächelte, während er den Kopf schüttelte.
    „Dann sind Sie ein ganz besonders reizendes Dummchen, meine Liebe. Aber was hatten Sie denn nur vor?“
    „Gnä’ Frau?“, fragte Lieschen unsicher.
    Blanka zuckte die Achseln.
    „Ich wollte nur … Ich dachte, ich sehe ihn mir an, und dann kam Lieschen und schlug vor, dass vielleicht einige der Arbeiter ihn nach oben schaffen könnten.“
    „Keine ganz schlechte Idee.“
    Lieschen strahlte. Johann trat näher, bis dicht an den Spiegel. Musterte den Rahmen, die Verzierungen. An den blassen Edelsteinen hing sein Blick lange, nachdenklich.
    „Keine schlechte Idee“, sagte er noch einmal, wie zu sich selbst. Er hob eine Hand, als wollte er mit der Fingerspitze über einen der Steine streichen. Etwas zuckte auf in Blanka, etwas sehr Heißes. Es verschwand sofort wieder, als er den Arm sinken ließ und die Schultern straffte.
    „Es wäre“, sagte er munter, „brav von den Burschen, wenn sie uns mit dem Biest helfen würden. Er steht hier ja doch sehr im Wege. Und ein paar Minuten können sie bei der Arbeit wohl deswegen versäumen.“
    Lieschen ließ die Schürzenzipfel fahren.
    „Bestimmt, gnädiger Herr, sie helfen bestimmt gerne! Sie können ja auch Werkzeug mitbringen, für den Rest der Kiste. Oh, ich laufe gleich und gebe ihm Bescheid!“
    „Nein“, sagte Blanka schnell; das ging nun wohl doch zu weit. Sollte sie dem Mädchen ein kurzes Stelldichein mit dem heimlichen Verehrer noch selbst ermöglichen? „Nein, Lieschen, das lass sein. Wir bitten Fräulein Sophie, ob sie auf ihrem Nachmittagsspaziergang nicht kurz dort vorbeischauen möchte.“
    Das Mädchen schluckte die Enttäuschung hinunter. „Ist recht, gnä’ Frau. Ich sage es ihr gleich. Dann kommt das hässliche Ding doch endlich aus der Halle.“
    „Nein“, sagte jetzt Johann. Blanka musterte ihn überrascht. „Nein, ich denke … morgen früh ist noch früh genug. Es ist gerade heute viel zu tun in der Hütte. Da brauchen sie jeden Mann. Morgen früh, nicht wahr, meine Liebe? Das möchte Fräulein Sophie denen oben ausrichten. Wissen Sie denn auch, wo er hinsoll?“
    Blanka nickte abwesend.
    „Dann ist ja alles geklärt. Ich muss sehen, dass ich wieder zu meinen Papieren komme. Lieschen, bevor du zu Fräulein Sophie gehst, schick Herrn Anton zu mir. Ich habe – habe etwas

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