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Winterkind

Winterkind

Titel: Winterkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Mer
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auch.“
    Anton machte einen Diener.
    „Gnädige Frau.“
    Sie nickte ihm zu, und er deutete auch eine Verbeugung zu Fräulein Sophie hin an. Etwas wie ein Zwinkern schien dabei über sein Gesicht zu huschen, und er sagte leise:
    „Leben Sie wohl, Fräulein Sophie. Und denken Sie immer an das Lichtlein.“
    Die beiden Männer stiegen die Treppe hinunter. Als die Tür unten zuklappte und ein Schwall Winterluft zu ihnen nach oben rauschte, fragte Blanka matt:
    „Verstehen Sie das? Er ist doch gerade erst zurückgekommen.“
    „Nein“, antwortete Sophie. Sie schüttelte den Kopf. Dann setzte sie etwas rätselhaft nach: „Noch nicht.“
    Sie streckte den freien Arm nach Johanna aus und verschwand mit dem Mädchen die Bodentreppe hinauf.
    Was für eine seltsame Bemerkung, dachte Blanka. Sie stützte sich auf das Geländer. Der ganze Tag war aus den Fugen geraten, bevor er wirklich begonnen hatte. Nachdenklich sah sie auf den Kasten in der Halle hinunter. Es wurde Zeit, dass der Spiegel nach oben kam. Wenigstens etwas Ordnung musste wieder einkehren.

    „Es wird nicht gehen“, sagte Willem eine Stunde später und schob die Mütze ins Genick, „wenn Sie so auf der Treppe herumstehen. Wenn ich das mal sagen darf, Frollein.“
    Das alte Holz knarrte an seiner Schulter, die er gegen den Rahmen gestemmt hatte. Lieschen trat sofort einen Schritt zurück und nickte eifrig.
    „Er hat recht, Fräulein Sophie! Sie müssen beiseitegehen, die Treppe ist zu schmal!“
    Auf dem Treppenabsatz musste Sophie sich ein Lächeln verkneifen. Lieschens Augen strahlten wie Lampen zu ihr herauf.
    „Schon gut, Lieschen. Aber vielleicht wäre es auch gut, wenn Willem ein bisschen zur Seite rückte und seinen Freund mitanfassen ließe …?“
    „Marek“, sagte der andere Mann. Er machte keinen Diener, sondern tippte sich nur an die Mütze. Schief saß sie auf seinen dunklen, wirren Haaren. Durch den leichten Stoß verrutschte sie noch weiter. Sophie zog eine Augenbraue hoch. Er schien es nicht zu bemerken.
    „Also dann, bitte – Marek, Willem“, sagte sie und zog sich auf die obersten Stufen zurück.
    „Komm her, du Trübetümpel“, Willem winkte den anderen zu sich heran, „hier, siehst du, schieb dich hier drunter. Nein, nicht so, nicht so! Du machst es falsch! Das Riesenbiest fällt uns noch runter!“
    Sophie atmete hastig ein. Willem hob den Kopf und lachte zu ihr hinauf:
    „Keine Sorge, Frollein, ich pass schon auf – auf den feinen Spiegel und den feinen Dummkopf hier. Komm, nochmal, aber jetzt richtig!“
    Er keuchte nicht einmal, obwohl das ganze Gewicht des Spiegels auf seiner Schulter lag. Lieschen wuselte aufgeregt um ihn herum, und sogar dafür hatte er noch ein breites Lächeln übrig.
    „Is recht.“
    Der Mann namens Marek sprach gedehnt, undeutlich. Sophie kannte diese Art Nuscheln von früher, aus der Warteschulzeit, nur zu gut. Er wird doch wohl nicht …, dachte sie schockiert. Hier im Herrenhaus! Dann erinnerte sie sich an Willems Worte, gestern, bei der Hütte. Eine durstige Arbeit. Sie sagte nichts.
    Marek schob den Rücken unter die Spiegelkante, stemmte das Kreuz dagegen. Seine Jacke war an zwei Stellen eingerissen und nicht geflickt.
    „Und – hoch!“
    Die riesige glänzende Fläche ruckte empor, schwankte, fing sich wieder. Sophie kniff sich unruhig tiefe Falten in den Rock.
    „Gut so, Willem!“ rief Lieschen unten und fuchtelte vage herum, als ob sie mit anfassen wollte. Willem lachte wieder.
    „Das lass man besser sein, mien Deern!“
    Sophie und Lieschen verfärbten sich beide. Er merkte es nicht, stieß seinem Freund vor sich in die Rippen. Marek schwankte sachte.
    „Machst du schon schlapp? Na komm!“
    Marek antwortete nicht. Unter der zerrissenen Jacke krümmte sich sein Rücken wie ein Bogen. Er presste die Lippen aufeinander, als der Spiegel wieder in Bewegung kam. Drei, vier, fünf Stufen – Sophie wich weiter zurück, um Platz zu schaffen. Die obere Kante des Spiegels kam knirschend auf dem Treppenabsatz zu liegen. Die Männer hielten inne. Mareks Atem ging schwer und rasselnd. Man hörte es bis ins obere Stockwerk.
    „So dauert es noch den ganzen Tag!“, rief Willem ungeduldig. „Pass auf, ich schiebe jetzt einmal kräftig, und du …“
    Der Spiegel rumste gegen die nächste Stufe, das Glas vibrierte singend unter dem Tuch. Sophie zuckte zusammen. Wenn nur Frau von Rapp den Krach nicht hörte … Sie war oben, im Kinderzimmer, und Sophie hielt es für das Beste, dass sie dort

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