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Winterkind

Winterkind

Titel: Winterkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Mer
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„Oh …“ Blanka lächelte. Sie fror nicht, obwohl sie wusste, dass sie nackt war. Berührungen wanderten über ihre bloße Haut, fremde, neue Berührungen, die kleine Flämmchen zum Lodern brachten. Da war keine Furcht, keine Scham. Sie fühlte sich so frei und so leicht, als ob sie schwebte.
    „Halt mich“, murmelte sie in einen Kuss hinein.
    „Halt mich“, murmelte das Mädchen, „sonst fliege ich dir noch davon.“
    „Flieg doch“, sagte der junge Mann und half dem Mädchen, sich wieder aufzusetzen. „Flieg hoch, wie eine Schwalbe. Ich bin hier, ich sehe dich. Dann weißt du immer, wo du wieder landen musst.“
    Er streichelte dem Mädchen über die Haare, versuchte unbeholfen, sie zu ordnen. Schnee und kleine Zweige steckten in den Zöpfen.
    „Du siehst aus wie eine Nymphe, eine Nymphenprinzessin. Ich kann niemals aufhören, dich anzusehen. Wirst du es mir wieder erlauben?“
    „Ja“, sagte das Mädchen. „Immer. Immer.“
    Sie halfen sich gegenseitig, die Kleider wieder zu finden. Er kniete sich nieder, um dem Mädchen in den Unterrock zu helfen, und schnürte ihm mit ungeschickten Händen das Mieder. Als sie angezogen waren, mehr schlecht als recht, küsste der junge Mann das Mädchen ein letztes Mal und sagte:
    „Du weißt, wir dürfen nicht dabei gesehen werden, wie wir zusammen den Wald verlassen. Zu viele Augen, immer, überall. Ich gehe voraus, und wenn ich nicht wiederkomme, weißt du, dass es sicher ist. Dann gehst du, nach mir. Und wir sehen uns wieder. Wir sehen uns wieder, schwörst du es?“
    „Ja, ja“, antwortete das Mädchen. Lächelnd sah es ihm dabei zu, wie er sich zwischen den Bäumen seinen Weg suchte, stolperte, weil er sich immer wieder umwandte. Endlich verschwand seine Gestalt im Dämmerlicht. Das letzte Knacken der Zweige verstummte.
    Und etwas – etwas veränderte sich im Wald.
    Blanka erschauerte.
    War es das Licht, was plötzlich schwächer wurde? Die Stämme der Bäume wirkten auf einmal so düster. Unruhig glättete das Mädchen sich den Mantel. Der Schnee, wo sie gelegen hatten, war zerwühlt und zertreten. Sollte es einen Zweig suchen, um die Spuren zu verwischen?
    Es beugte sich zwischen zwei Bäumen hindurch, über das dichte Unterholz, was dort wuchs, gerade neben dem Lager, das sie sich bereitet hatten. Da waren feine Zweige genug, und es bückte sich tiefer, um einen abzubrechen. Aber da schien noch etwas zu sein, unter den kahlen Büschen. Etwas Dunkles auf dem Schnee. Das Mädchen zögerte. War es ein Tier?
    Alle Leichtigkeit verging. Alle Wärme, alles Schweben.
    „Nein“, flüsterte Blanka. „Nein, das nicht. Das nicht …“
    Es lag sehr still, zu still für ein Tier. Das Mädchen beugte sich neugierig näher. Zwischen Schneehaufen und vermoderten Blättern, halb zugeweht, lag ein alter Korb auf dem Waldboden. Ein geflochtener Weidenkorb mochte es einmal gewesen sein, wie die einfachen Leute ihn zum Reisen benutzen. Die Griffe waren abgerissen, und es waren viele Löcher darin.
    Das Mädchen schob die Zweige beiseite, zögerte kurz, kniete sich dann hin und fasste in den Korb. Er war leer. Mäuse und Füchse und Marder hatten ihn längst zerwühlt. Jetzt entdeckte das Mädchen auch andere Dinge unter den Büschen im Schnee. Reste von Stoff, Fetzen, wie von zerrissenen Kleidern. Hatte hier jemand all sein Gepäck verloren, aus irgendeinem Grund, vor langer Zeit? Da war noch etwas, etwas Langes, Dünnes. Es sah nur an manchen Stellen aus dem Schnee hervor. Zuerst hielt das Mädchen es für ein steif gefrorenes Seil. Aber das war es nicht. Als es genauer hinsah, erkannte es die Überreste von Gewebe. Es war ein Streifen Rosshaar, wie man ihn in Unterröcken fand, in das Leinen genäht, um Steife und Festigkeit zu geben. Da, man konnte noch die Leinenreste sehen, mit denen er einmal verbunden gewesen war. Es mochte der Saum gewesen sein …
    Blanka keuchte. Ihr Körper wurde starr wie Holz.
    Wohin führte der Strick aus Rosshaar? Was war das Weiße, was dort unter dem Busch lag? Man sah es kaum, bei all dem Schnee. Das Mädchen kniff die Augen zusammen und beugte sich im Knien noch weiter vor.
    Ein Schädel.
    Das Mädchen schlug die Hände vor den Mund. Ein Schädel! Ein menschlicher Kopf, ohne Haut, ohne Fleisch. Nackte Knochen, stumpf und von Tierkrallen zerkratzt. Nur dort, an der einen Stelle –
    „Nein“, wimmerte Blanka. „Nein. Ich will nicht hinsehen. Sieh nicht hin. Dummes Mädchen. Dummes Mädchen !“
    – an der einen Stelle hing noch

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