Winterkrieger
näherte. Er duckte sich unter einem tiefhängenden Zweig und lenkte den Wallach in Richtung Straße. Sternenfeuer war inzwischen müde, doch seine Hufe donnerten über den Boden, er wurde wieder schneller. Nogusta ritt mit halsbrecherischer Geschwindigkeit den Berg hinunter, Sternenfeuer glitt aus und rutschte auf den Hinterbacken. Nur weil er ein ausgezeichneter Reiter war, blieb Nogusta im Sattel. Dann waren sie auf flachem Grund und hielten auf die Straße zu. Hier riss Nogusta Sternenfeuer noch einmal herum.
Es gab keine Anzeichen von Verfolgung, und auch der Talisman glühte nicht mehr.
Welches Tier war stark genug, einen Mann in zwei Hälften zu zerreißen, schnell genug, um ein Pferd zu jagen, das so schnell war wie Sternenfeuer und böse genug, um eine Reaktion seines Talismans hervorzurufen?
Nogusta hatte keine Antwort.
Er wusste nur, dass dieses Untier zwischen dem Fuhrwerk und der Brücke war.
Und es gab keinen anderen bekannten Weg in die Sicherheit.
Axiana schlief, als der Karren langsam über die alte Straße rumpelte. Ulmenetha legte ihre jetzt schlanke Hand auf die Stirn der Königin. Axianas Lebenskraft war stark und strahlte von ihr aus. Die Priesterin lehnte sich gegen einen Stapel leerer Säcke und starrte in den blauen Himmel hinauf. Das Gefühl, aus ihrem langen Leben mit Kalizkan aufzuwachen, war extrem verwirrend gewesen. Der alte Zauberer hatte ihr gesagt, dass die Zeit dort, wo sie waren, keine Bedeutung hatte, aber sie hatte das nicht völlig verstanden, bis sie erwachte. Es war, als ob sie jahrzehntelang geschlafen hätte. Die Erinnerung an die Flucht aus dem Palast schien zu einem anderen Leben zu gehören, einer fernen Existenz. Ulmenetha hatte sich bemüht, die Erinnerung wieder zu finden. Auch konnte sie sich kaum an die dicke, verängstigte Frau erinnern, die sie gewesen war.
Das Mädchen Pharis hielt den Säugling im Arm, die kleine Sufia schlief neben ihr.
»Ist er nicht schön?« fragte Pharis. »So klein und so süß.«
»Er ist schön«, stimmte Ulmenetha zu. »Und du auch.« Das Mädchen blickte verwirrt auf. Ihr Gesicht war mager, eingefallen und schmutzig, ihr verdrecktes Haar zu fettigen Rattenschwänzen gebunden. Ihre Kleider waren Lumpen, auf ihren knochigen Schultern waren wunde Stellen zu sehen. »Ich mache mich nicht über dich lustig, Pharis«, sagte Ulmenetha. »Du hast viel Liebe in dir, und das ist eine Tugend von großer Schönheit Pass auf, dass du immer den Kopf des Kindes stützt denn der Hals ist noch nicht kräftig genug.«
»Das werde ich«, sagte sie glücklich. »Ich halte einen König im Arm!«
»Du hältst ein Baby im Arm. Titel werden von Menschen verliehen, und kein Titel der Welt hat für ihn jetzt eine Bedeutung. Was er braucht sind Liebe und Muttermilch.«
Ulmenetha warf einen Blick zurück zu Kebra und Conalin, die hinter dem Wagen herritten. Der Junge ritt dicht neben Kebra und hörte dem Bogenschützen zu. Mit dem Talent das Kalizkan in ihr zum Vorschein gebracht hatte, konnte Ulmenetha so viel mehr sehen, als das bloße Auge erlauben würde. Conalin hatte sein ganzes bisheriges Leben ohne Zuneigung verbringen müssen und hatte nie die Liebe eines Vaters gekannt.
Kebra war ein stiller, einsamer Mann, der Angst hatte, sich an eine Frau und Familie zu binden. Die beiden waren füreinander geschaffen. Sie sah zu Dagorian hinüber. Der junge Offizier war ein gutes Stück zurück und führte die fünf Ersatzpferde. Er war voller Angst und kämpfte darum, seinen Mut nicht zu verlieren.
Du hättest Priester bleiben sollen, dachte Ulmenetha, denn du bist eine sanfte Seele.
Sie stand auf und kletterte zu Bison auf den Kutschbock. Er schaute sie an und lächelte schief. »Wie geht es meinem Jungen?« fragte er.
»Er schläft. Wo hast du gelernt, Kinder auf die Welt zu holen?«
»Hier und da. Die Lagerhuren haben mich immer gerufen, wenn ein Baby fällig war. Nur eins ist mir jemals gestorben. Von der Nabelschnur erwürgt. Das wäre mit unserem kleinen Prinzen auch beinahe passiert. Aber abgesehen davon, dachten die Huren, ich wäre ein Glücksbringer bei der Geburt.«
Das Fuhrwerk erreichte offenes Gelände, und in der Feme sah Ulmenetha die majestätische Schönheit der Schlucht. »Wie bist du so dünn geworden?« fragte Bison.
»Das ist eine lange Geschichte. Wie bist du so hässlich geworden?« Sie sagte das mit einem Lächeln, und Bison kicherte.
»Ich wurde schon hässlich geboren«, sagte er, »aber auch stark. Ich bin immer
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