Winterkrieger
in der natürlichen Herrlichkeit dieses Hochlandes. Er fühlte sich wieder jung, saubere Luft füllte seine Lungen, längst vergessene Träume tauchten aus den staubigen Kammern seiner Erinnerungen auf. Hier konnte ein Mann leben!
Sternenfeuer schien den Ritt ebenfalls zu genießen. Der große schwarze Wallach legte seit einigen Tagen an Kraft zu, obwohl er noch immer ein Schatten seines früheren Selbst war. Aber das Pferd erholte sich rasch von der Lungenentzündung, die es zum Schlachthaus verdammt hatte. Nogusta stieg ab und ging an den Rand des Abgrundes, um auf den Wald und den Fluss hinunterzuschauen. Was waren die Träume von Menschen verglichen mit dem hier, überlegte er?
Das Fuhrwerk war rund eine Stunde hinter ihm, und er merkte, dass er wütend wurde. Wie war es dazu gekommen, dass er sich an diese zum Scheitern verurteilte Mission gekettet hatte? Die Antworten lagen auf der Hand, boten jedoch wenig Trost. Damit das Leben einen Sinn hatte, brauchte ein Mann Regeln, nach denen er lebte. Ohne sie war er nichts weiter als ein kleines, gieriges Lebewesen, das seinen Launen und Wünschen zum Schaden anderer folgte. Nogustas Regeln waren ehern. Und das bedeutete, dass er nicht einfach davonreiten und seine Freunde und die anderen dem Schicksal überlassen konnte, das sie offensichtlich irgendwo auf diesem Weg erwartete.
Er hatte dem Jungen, Conalin, erzählt dass seine Gründe, der Königin zu helfen, egoistisch waren – und das waren sie auch. Er erinnerte sich an den Tag, an dem sein Vater die Familie ins Große Museum in Drenan mitgenommen hatte. Sie hatten sich die Ausstellungen angesehen, die alten Schwerter und Statuen, die vergoldeten Schriftrollen und die vielen Knochen, und schließlich hatte sein Vater sie zum Sichelsee geführt, und dort hatten sie gesessen und Brot und kalten Braten zu Mittag gegessen. Es war sein zehnter Geburtstag. Er hatte seinen Vater nach den Helden gefragt deren Leben im Museum dargestellt wurden. Er hatte sich gefragt was sie dazu brachte, für ihre Überzeugungen einzustehen und zu sterben. Die Antwort seines Vaters war langatmig gewesen, und das meiste war über seine Begriffe gegangen. Aber eine lebhafte, bildliche Erinnerung war geblieben. Sein Vater hatte den Handspiegel seiner Mutter genommen und ihn Nogusta in die Hand gelegt »Schau hinein und sag mir. was du siehst«, sagte er. Nogusta sah sein Spiegelbild, und das sagte er seinem Vater auch.
»Gefallt dir, was du siehst?« hatte sein Vater gefragt. Es war eine merkwürdige Frage. Er sah sich doch selbst.
»Natürlich. Das bin doch ich!«
Dann sagte sein Vater: »Bist du stolz auf das, was du siehst?« Nogusta wusste keine Antwort darauf. Sein Vater lächelte. »Das ist das wahre Geheimnis, das einen Helden zu Taten treibt um die ihn andere Menschen nur beneiden können. Du musst immer in der Lage sein, in einen Spiegel zu schauen und stolz auf dich zu sein. Wenn du einer Gefahr ins Auge siehst frag dich immer. Wenn ich davonlaufe oder mich verstecke oder bettle und um mein Leben flehe, kann ich dann immer noch in den Spiegel sehen und stolz auf mich sein?«
Nogusta schwang sich in den Sattel und ritt weiter. Der Weg fiel steil ab, und Sternenfeuers Hufe glitten auf den Steinen aus. Der schwarze Krieger ritt vorsichtig weiter, bis er den Boden der Schlucht erreichte, wo eine alte steinerne Brücke den Fluss überquerte. Jetzt ritt er unter Bäumen und hielt an, um sich noch einmal die Karte anzusehen. Hier war eine zweite Brücke verzeichnet etwa fünf oder sechs Kilometer weiter südöstlich. Er beschloss, sie zu untersuchen, ehe er zurück zum Fuhrwerk ritt. Auf den Berghängen lagen immer noch vereinzelt Flecken von Schnee, und die Luft war kühl, als er Sternenfeuer antrieb. Die alte Straße verlief entlang eines Steilhangs, dann verschwand sie um die Flanken des Berges herum.
Da er wusste, dass er von einer höheren Warte aus das Land besser überschauen konnte, packte Nogusta den Sattelknauf und ritt bergan. Sternenfeuer atmete heftig, als sie auf dem Gipfel ankamen, und Nogusta ließ ihn stehen bleiben, damit er wieder zu Atem kam.
Dann sah er die Hütte, zwischen den Bäumen verborgen. Ihre Wände waren aus Naturstein erbaut, das Dach mit Erde bedeckt Efeu kletterte an den Mauern empor, und unterhalb der Fenster waren Blütensträucher gepflanzt worden. Das Gelände. Um die Hütte herum war gut gepflegt aus dem steinernen Schornstein stieg Rauch auf. Nogusta zögerte. Er wollte unschuldige
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