Winterkrieger
an Kara denken müssen, aber – beschäftigt wie er war – es war leicht gewesen, diese Erinnerungen zu unterdrücken. Es gab immer Pläne und Vorhaben, die seine Aufmerksamkeit forderten. Aber hier, in diesen zwei einsamen Tagen seiner Seelenerforschung, hatte er es zunehmend schwieriger gefunden, seiner Schuld auszuweichen.
Er erinnerte sich an das letzte Mal als er sie gesehen hatte.
»Es war weder Grausamkeit noch Rachsucht«, sagte er laut »Sie hat mich gedemütigt. Was hätte sie anderes erwarten können?« Die Worte hingen in der Luft und hallten wenig überzeugend in seinem Geist wider. Kara hatte ihm geschrieben und ihre Verlobung gelöst Sie hätte, wie sie schrieb, drei Jahre gewartet Sie wies daraufhin, dass Antikas versprochen hätte, nach einem Jahr zurückzukehren. Das hatte er nicht getan. Auch hätte er seit über acht Monaten nicht mehr geschrieben. Es wäre offensichtlich, dass er sie nicht mehr liebte, und sie hätte sich nun in einen jungen Adligen eines benachbarten Gutes verliebt Sie wollten im Laufe des Monats heiraten.
Und sie heirateten. Antikas war zu spät zu der Feier gekommen. Er war auf sie beide zugegangen, als sie Hand in Hand aus der Kirche kamen, mit Blumengirlanden um den Hals. Er hatte seinen schweren Reithandschuh ausgezogen und den Bräutigam damit ins Gesicht geschlagen. Das Duell hatte am selben Abend stattgefunden, und Antikas hatte ihn getötet.
In dieser Nacht war er zu Karas Haus gerufen worden. Er hatte sie in einem verdunkelten Raum gefunden, die Laternen waren nicht entzündet, schwere Samtvorhänge schlossen den Mondschein aus. Eine einzige Kerze brannte auf einem kleinen Tisch, und in ihrem flackernden Licht sah er sie, eine schwere Decke um die schlanke Gestalt gewickelt Antikas erinnerte sich, wie hart sein Herz sich angefühlt hatte, und wie er beschloss, sich für ihren Verlust nicht zu entschuldigen. Es war ihre Schuld, nicht seine. Er wollte ihr das klarmachen. Aber sie beschimpfte ihn nicht Sie sah lediglich in der Düsternis auf und starrte ihm ins Gesicht. In ihr war kein Hass, wie er erkannte, nur eine große Traurigkeit. Im Kerzenschein war sie von bezaubernder Schönheit und er fragte sich, wie er sie je für so lange Zeit hatte allein lassen können. In seiner Arroganz glaubte er, dass sie diesen anderen Mann niemals wirklich geliebt hatte, sondern seine Werbung angenommen hatte in dem Wissen, dass Antikas sie schon holen würde. Jetzt war er da, und wenn sie ihn bat würde er sie trotz der Demütigung zurücknehmen. Er war bereit ihr zu verzeihen. Aber diese Szene war nicht was er erwartet hatte. Tränen, ja. Wut? Natürlich. Aber diese geisterhafte Stille war unerträglich.
»Was willst du von mir?« fragte er.
Als sie antwortete, war ihre Stimme wie ein schwaches Wispern. »Du bist … ein … böser Mann … Antikas. Aber du wirst uns nicht … mehr weh tun.« Sie sah ihm noch einen Moment länger in die Augen, dann schloss sie die ihren und ihr Kopf fiel zurück. Einen Augenblick dachte er, sie wäre ohnmächtig geworden.
Dann sah er die Blutlache unter ihrem Stuhl. Er riss die Decke von ihr weg. Ihre beiden Handgelenke waren aufgeschnitten, ihre Kleider blutgetränkt Sie trug noch immer ihr Hochzeitskleid und ihre Blumengirlande, und sie war ohne ein weiteres Wort gestorben.
Antikas versuchte, die Erinnerung zu verdrängen, doch sie umklammerte ihn wie eine giftige Ranke. »Es war nicht böse«, sagte er. »Sie hätte auf mich warten sollen. Dann wäre das nicht passiert. Ich bin nicht schuld.«
Aber wer dann? Der Gedanke sprang ihn ungebeten aus seinem Unterbewusstsein heraus an.
Damit war es noch nicht zu Ende. Ihr Bruder hatte Antikas herausgefordert. Auch er war gestorben. Antikas hatte versucht, den Jungen zu entwaffnen, ihn zu verwunden und damit das Duell zu beenden. Aber sein Angriff war wild und ausdauernd gewesen, und als der Augenblick kam, hatte Antikas mehr instinktiv als absichtsvoll reagiert und seine Klinge ins Herz seines Gegners gestoßen.
Antikas Karios erhob sich von der Mauer und drehte sich um, um in das tosende Wasser hinunterzuschauen. Er sah den abgebrochenen Zweig einer alten Eiche heranschwimmen und eilig vorbeitreiben. Er blieb für einen Augenblick an einem vorspringenden Stein hängen, dann drehte er sich und setzte seinen Weg fort. Ein Stück flussabwärts tappte ein Braunbär aus dem Wald und watete ins Wasser. Antikas beobachtete ihn. Zweimal platschten seine Tatzen ins Wasser. Beim dritten Mal fing er
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