Winterkrieger
Bezeichnung«, meinte Antikas. »Nichts weiter. Sie gehen, sie reden, sie atmen. Und wir haben die Waffen, sie zu töten.«
»Du scheinst deiner sehr sicher zu sein.«
»Du deiner nicht?«
Dagorian seufzte. »Ich will nicht sterben«, gestand er. »Klingt das feige?«
»Niemand will sterben«, erwiderte Antikas. »Aber wenn du während des Kampfes ans Überleben denkst ist dein Tod gewiss. Es ist lebenswichtig für einen Krieger, während eines Kampfes alle Gedanken auszuschalten. Was, wenn ich einen Messerstich abbekomme, wenn ich verkrüppelt werde, wenn ich sterbe? Diese Gedanken behindern die Fähigkeiten eines Kriegers. Der Feind wird kommen. Wir werden ihn töten. Das ist alles, auf das du dich konzentrieren musst.«
»Leichter gesagt als getan«, meinte Dagorian.
Antikas lächelte dünn. »Hab keine Angst vor dem Tod, Dagorian, denn er kommt zu allen Menschen. Ich selbst würde lieber jung und stark sterben, als ein zahnloser, seniler alter Mann zu werden, der nur noch von den Wundern seiner Jugend spricht.«
»Das sehe ich anders. Ich würde gerne leben, um meine Kinder und Enkelkinder heranwachsen zu sehen. Die Liebe und Freuden einer Familie zu kennen.«
»Hast du je geliebt?« fragte Antikas.
»Nein. Ich dachte …« Er zögerte. »Ich dachte, ich würde Axiana lieben, aber das war ein Traum, ein Ideal. Sie sah so zerbrechlich aus, beinahe verloren. Aber nein, ich habe nie geliebt. Und du?«
»Nein«, antwortete Antikas, und die Lüge blieb ihm fast im Halse stecken. Die Erinnerung an Kara brannte heiß.
»Ob Dämonen lieben, was meinst du?« fragte Dagorian plötzlich. »Heiraten sie und bekommen Kinder? Ich nehme an, ja.«
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht«, gab Antikas zu. »Kalizkan erzählte mir, dass Emsharas, der Große Zauberer, sich in eine Menschenfrau verliebte und mit ihr Kinder hatte. Er war ein Dämon.«
»Alles, was ich von ihm weiß, ist dass er vor Tausenden von Jahren den Großen Zauber sprach.«
»Ja, und das finde ich seltsam«, sagte Antikas. »Kalizkan zufolge verbannte er seine gesamte Rasse in eine Welt des Nichts, leer und öde. Hunderttausende von Seelen, die aus der Welt gerissen wurden, um in alle Ewigkeit gestaltlos umherzuschweben. Kann es je ein schlimmeres Verbrechen gegeben haben?«
»Das nennst du ein Verbrechen? Das verstehe ich nicht. Die Menschheit wurde durch diese Tat gerettet.«
»Die Menschheit ja, aber Emsharas war kein Mensch. Warum hat er es dann getan? Warum hat er nicht einen Zauber gewirkt, der die Menschheit in die Leere verbannte und die Erde seinem eigenen Volk überließ? Das macht doch keinen Sinn.«
»Für ihn muss es Sinn gemacht haben. Vielleicht lag es daran, dass sein Volk böse war.«
»Na, hör mal«, fuhr Antikas auf, »das macht ja noch weniger Sinn. Wenn wir sein Handeln als gut würdigen, müssen wir hinnehmen, dass er nicht böse war. Warum sollte er denn der einzige gute Dämon auf der Welt gewesen sein? Was ist mit den Dryaden, die den Wald beschützten oder den Krandyl, die die Felder und Wiesen hegten? Auch das sind legendäre Wesen, Geisterwesen, Dämonen.«
Dagorian lachte plötzlich auf und schüttelte den Kopf. »Was ist daran so lustig?« fragte Antikas.
»Findest du es nicht lustig, dass zwei Männer auf einer Brücke sitzen und auf den Tod warten und dabei über die Taten eines Zauberers diskutieren, der vor Tausenden von Jahren starb? Das ist die Art von Gespräch, die ich eher in der Bibliothek in Drenan zu führen erwartet hätte.« Sein Gelächter ebbte ab. »Es ist mir gleich, warum er es tat. Was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Für uns?«
»Hast du vor, den ganzen Tag so morbid zu sein?« erwiderte Antikas. »Wenn ja, bist du alles andere als ein fröhlicher Gefährte. Du brauchst nicht hier zu bleiben, Dagorian. Du bist nicht angekettet.«
»Warum bleibst du?« fragte der jüngere.
»Ich sitze gern auf Brücken«, antwortete Antikas. »Es beruhigt meine Seele.«
»Nun, ich bleibe, weil ich zuviel Angst habe, es nicht zu tun«, sagte Dagorian. »Kannst du das verstehen?«
»Nein«, gestand Antikas Karios.
»Vor ein paar Tagen griff ich fünf ventrische Lanzenreiter an. Ich dachte, ich würde sterben. Aber mein Blut war in Wallung, und ich griff sie an. Dann kamen Nogusta und Kebra mir zu Hilfe, und wir gewannen.«
»Ja, ja«, unterbrach Antikas. »Ich sah, dass du Vellians Pferd hattest. Aber worauf willst du hinaus?«
»Hinaus?« sagte Dagorian, dessen Gesicht sich voller Qual
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