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Winterkrieger

Winterkrieger

Titel: Winterkrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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gesehen?«
    »Zuviel«, antwortete Nogusta traurig. »Die Gabe ist mehr denn je ein Fluch. Ich sehe, aber ich kann nicht ändern, was ich sehe. Dagorian fragte mich, ob er sterben würde. Ich habe es ihm nicht gesagt. Ich glaube, er wusste es ohnehin. Er war ein guter Mann, Kebra, ein Mann, der hätte leben sollen, um ein Haus zu bauen, Kinder zu zeugen und sie die Tugenden von Aufrichtigkeit, Mut und Ehre zu lehren. Er sollte nicht tot auf einer vergessenen Brücke liegen.«
    »Wir werden ihn nicht vergessen«, sagte der silberhaarige Bogenschütze.
    »Nein, das werden wir nicht. Aber was zählt das? Wir beide sind alte Männer, du und ich. Unsere Zeit ist bald um. Und wenn ich auf mein Leben zurückblicke, frage ich mich, ob es zum Guten oder zum Schlechten war. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens gekämpft. Ich habe die Sache der Drenai verteidigt, obwohl die meisten meiner Kameraden mich wegen meiner Hautfarbe entweder fürchteten oder hassten. Dann habe ich am Einmarsch nach Ventria teilgenommen und sah die Zerstörung eines uralten Reiches. Und alles nur wegen der Eitelkeit eines arroganten Mannes. Was soll ich zu dem himmlischen Buchhalter sagen, wenn ich vor ihm stehe? Welche Entschuldigungen soll ich für mein Leben abgeben?«
    Kebra betrachtete seinen Freund prüfend und dachte sorgsam nach, ehe er antwortete. »Jetzt ist wahrscheinlich nicht der rechte Zeitpunkt, um darüber nachzudenken«, sagte er schließlich. »Du bist der Verzweiflung nahe, und in deiner Niedergeschlagenheit findest du keinen Trost. Du hast in deinem Leben viele gerettet und dein Leben für andere riskiert. So wie jetzt Solche Taten werden ebenfalls aufgeschrieben. Ich bin kein Philosoph, Nogusta, aber es gibt Dinge, die ich weiß. Wenn deine Gabe uns verlieren sieht und dass es dem Kind bestimmt ist, in die Hände des Bösen zu fallen, gleich was wir tun, wirst du dann davonreiten und es seinem Schicksal überlassen? Nein, das wirst du nicht. Selbst wenn Tod und Niederlage unausweichlich sind. Genauso wenig werde ich das tun. Niemand kann mehr von uns verlangen.«
    Nogusta lächelte. Er hätte den anderen gern umarmt aber Kebra mochte Berührungen nicht. »Mein Vater sagte einmal, wenn ein Mann an den Fingern einer Hand seine wahren Freunde aufzählen könne, dann wäre er reicher als jeder andere. Ich bin so reich, Kebra.«
    »Ich auch. Und nun ruh dich ein Weilchen aus. Ich halte solange Wache.«
    »Lausche auf ein einzelnes Pferd, denn Antikas Karios wird versuchen, uns einzuholen.«
    »Ich muss zugeben, dass ich den Mann nicht mag«, gestand Kebra. »Seine Arroganz ist mir zuwider.«
    Nogusta lächelte wieder. »Erinnert dich an uns vor zwanzig Jahren, was?«
    Kebra nickte und ging zum Höhleneingang. Er setzte sich so. dass er windgeschützt war und blickte hinaus über die Gipfel. Er schauderte. Sie waren ein paar tausend Meter oberhalb des Talbodens, und die Wolken wirkten so nah, als könnte man sie mit Händen greifen. Er zog den Umhang fester um sich und lehnte sich gegen die Wand. Dagorians Tod hatte auch ihn traurig gemacht. Er hatte den jungen Mann gemocht. Seine Angst war groß gewesen, sein Mut jedoch noch größer. Er hätte gute Söhne aufgezogen, dachte Kebra.
    Die Felsen waren kalt und er zog sich die Kapuze über den Kopf. Gute Söhne. Der Gedanke stimmte ihn traurig. Was für ein Vater wäre ich wohl gewesen? dachte er. Er würde es nie wissen. Und, anders als Bison oder Nogusta, bestand bei ihm auch nicht die Möglichkeit dass er mit einer der Huren, die er in dreißig Jahren des Lagerlebens kennen gelernt hatte, ein Kind gezeugt hatte, denn er hatte sich nie mit einer von ihnen gepaart. Er hatte natürlich mit seinen beiden Kameraden die Bordelle besucht doch wenn er in der Abgeschiedenheit der Schlafzimmer war, hatte er die Mädchen nur dafür bezahlt dass sie bei ihm saßen und sich mit ihm unterhielten. Um Liebe zu machen, musste man sich berühren, und Kebra konnte nicht einmal den Gedanken daran ertragen. Fleisch auf Fleisch? Er schauderte.
    Aus der Vergangenheit kam eine Erinnerung. Sie erwischte ihn unvorbereitet denn er hatte sie vor langer Zeit tief vergraben, so dass nicht einmal seine Vorstellungskraft sie erreichen konnte. Die dunklen Wände der Scheune, die großen haarigen Hände seines Vaters, der Schmerz und das Entsetzen und die Todesdrohungen, falls er je darüber sprach. Er blinzelte und richtete seinen Blick auf die Berggipfel.
    Conalin kam angekrochen, eine Decke fest um die Schultern

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