Winterkrieger
gewickelt. »Ich habe dir Pfeil und Bogen gebracht«, sagte der Junge.
»Ich danke dir – aber ich glaube nicht, dass ich sie heute Abend brauchen werde.« Er sah den Jungen an und erkannte die Angst in seinen Augen.
»Antikas Karios und Dagorian haben die Brücke gehalten. Antikas wird bald hier sein.«
»Woher weißt du das?«
»Nogusta hatte eine Vision. Seine Visionen sind immer wahr.«
»Du sagst, Antikas wird kommen. Was ist mit Dagorian?«
Es gab keinen anderen Weg, es auszudrücken. »Er starb für uns«, sagte Kebra. »Er kämpfte wie ein Mann, und er starb wie ein Mann.«
»Ich will nicht sterben«, sagte Conalin unglücklich.
»Aber eines Tages wirst du sterben«, bemerkte Kebra. Er lachte plötzlich. »Ich hatte mal einen alten Onkel, der immer sagte: ›Nur eins im Leben ist gewiss, nämlich dass du es nicht lebendig verlässt.‹ Er kostete jeden Tag voll aus. Er war ein Mann, der das Leben liebte. Er war eine Zeitlang Soldat dann Kaufmann und schließlich Bauer. Er hat nie etwas hervorragend gemacht, aber er gab immer sein Bestes. Ich mochte ihn – und einmal hat er mir einen großen Dienst erwiesen.«
»Was hat er getan?«
»Er hat meinen Vater getötet.«
Conalin war schockiert. »Und das war ein Dienst?«
»Allerdings. Leider tötete er ihn zu spät aber das war nicht sein Fehler.« Er schwieg einen Augenblick. Conalin wollte ihn gern noch mehr fragen, aber er sah die Trauer in den Augen des alten Mannes. Dann sprach Kebra weiter. »Was würdest du gerne sein, Conalin?«
»Mit Pharis verheiratet«, antwortete der Junge prompt.
»Ja, das weiß ich. Aber welchen Beruf wünschst du dir?«
Conalin dachte nach. »Irgend etwas mit Pferden. Das würde ich wirklich gern machen.«
»Eine gute Beschäftigung. Nogusta hat ähnliche Pläne. Früher war seine Familie einmal berühmt für ihre Pferde. Aber seine Frau und seine ganze Verwandtschaft wurden ermordet, das große Haus niedergebrannt, die Ställe zerstört. Die Herde entfloh in die Berge. Nogusta träumt davon, auf sein Familiengut zurückzukehren und es wieder aufzubauen. Er sagt dass es tief in den Bergen viele Taler gibt, und dass die Herde inzwischen gewachsen sein muss. Er will sie suchen.«
Conalins Augen glänzten. »Das würde ich gerne machen. Ob er mich wohl lässt, was meinst du?«
»Du müsstest ihn fragen.«
»Kannst du ihn nicht für mich fragen?«
»Das könnte ich«, gab Kebra zu, »aber das ist nicht der richtige Weg. Ein starker Mann geht seinen eigenen Weg in der Welt. Er bittet nicht andere, das zu tun, wovor er sich selbst fürchtet.«
Conalin trat hinaus in den Wind. Er war Kebra jetzt ein wenig zu nahe, und der Bogenschütze fühlte sich unbehaglich. »Ich werde ihn fragen«, sagte der Junge. »Wirst du auch bei uns sein?«
»Vielleicht – wenn die QUELLE es will.«
Die Aufregung im Gesicht des Jungen schwand plötzlich. »Was ist los?« fragte Kebra.
»Wozu über Pferde reden? Wir werden hier sterben.«
»Wir haben es bis hierher geschafft«, betonte Kebra. »Und ich muss den erst noch sehen, der Nogusta besiegen kann. Und was Bison anlangt … nun, er ist der stärkste Mann, den ich je gekannt habe, und er hat mehr Mut als zehn Dämonen. Nein, Conalin, tu sie nicht so leichtfertig ab. Sie sind vielleicht alt aber schlau.«
»Was ist mit dir?«
»Mit mir? Ich bin der beste Schütze, der jemals über diese Erde gewandert ist. Ich könnte auf dreißig Schritt die Fühler einer Fliege treffen.«
»Haben Fliegen Fühler?« fragte Conalin.
»Nicht wenn ich in der Nähe bin«, antwortete Kebra lächelnd.
Antikas Karios erreichte die Höhle kurz vor Mitternacht. Sein Bart war eisverkrustet wie die Mähne seines Pferdes, und sowohl er als auch sein Tier waren zu Tode erschöpft. Während der letzten paar Kilometer war er im Sattel hin- und hergeschwankt und hatte versucht, nicht einzuschlafen.
Kebra trat hinaus in den beißenden Wind, nahm die Zügel des Pferdes und führte es in die Höhle. Antikas Karios brauchte zwei Anläufe, ehe er die Kraft aufbrachte abzusteigen. Nogusta ging zu ihm.
»Setz dich ans Feuer und wärme dich«, sagte er.
»Zuerst das Pferd«, murmelte Antikas. Er band ein dickes Bündel Holz los, das er hinter dem Sattel hatte und reichte es Nogusta. »Ich dachte, dass vielleicht das Brennholz knapp würde«, sagte er. Antikas zog die Handschuhe ab und rieb sich die kalten Finger, um das Blut wieder zum Kreisen zu bringen, dann begann er den Kastanienbraunen abzusatteln. Er
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