Winterkrieger
aufgestellt. Es waren traditionelle runde Zielscheiben mit einer Anzahl von konzentrischen Kreisen in verschiedenen Farben, die einen goldenen Kreis in der Mitte umgaben. Der äußere Ring war weiß und brachte zwei Punkte. Danach kam ein blauer mit fünf Punkten, dann Silber mit sieben und schließlich die goldene Mitte für zehn Punkte.
Kebra schoss zuerst und traf Gold. Dirais tat es ihm nach. Dann wurden die Zielscheiben zehn Schritt weiter aufgestellt. Diesmal gelang Kebra nur blau. Trotz der verstärkten Spottrufe traf Dirais wieder Gold.
Kebra führte jetzt mit 175 zu 160 Punkten und hatte noch zwei Schuß. Ruhig, mahnte er sich. Die Zielscheiben wurden noch einmal zehn Schritte weiter getragen. Die Farben waren für Kebra jetzt nur noch verschwommen zu erkennen. Er spähte so gut er konnte und spannte die Sehne. Die Menge schwieg. Er schoss, und sein Pfeil flog in anmutigem Bogen durch die Luft und traf den weißen Ring. Jetzt jubelte die Menge nicht mehr. Dirais zielte und traf wieder Gold – 177 zu 170 Punkte, und noch ein Schuß übrig.
Wieder wurden die Ziele weiter entfernt aufgestellt Kebra konnte den Umriss der Scheibe kaum noch erkennen. Er rieb sich die Augen. Dann holte er tief Luft, zielte auf ein Ziel das er kaum sehen konnte – und schoss. Er wusste nicht wo der Pfeil traf, hörte aber einen der Schiedsrichter rufen: »Weiß!« Er war froh, die Scheibe überhaupt getroffen zu haben. Nun stand es 179 zu 170.
Dirais brauchte Gold, um zu gewinnen. Kebra trat zurück. Die Zuschauer schrien nun aus voller Kehle.
Bitte schieß vorbei, dachte Kebra, denn er wünschte sich die Meisterschaft mehr, als er sich jemals zuvor etwas gewünscht hatte. Es schnürte ihm die Brust ein, sein Atem ging flach. Er warf einen Blick auf die Zuschauer und sah Nogusta. Kebra versuchte ein Lächeln, aber es war mehr ein Totengrinsen.
Dirais trat an die Abschußlinie und spannte. Er stand völlig still. Kebras Herz klopfte wie wild. Wie hoch war die Chance, dass jemand dreimal hintereinander Gold traf? Eine leichte Änderung der Windrichtung, eine kleine Unvollkommenheit in Pfeil oder Federn. Die goldene Mitte war nicht größer als eine Männerfaust und die Entfernung war groß: sechzig Schritt. In seinen besten Tagen hatte Kebra auf diese Entfernung nur vier von fünf Malen getroffen. Und dieser Ventrier ist nicht so gut wie ich mal war, dachte er. Wie gut drei von fünf? Zwei von fünf? Gütiger Himmel, schieß einfach vorbei!
Gerade als Dirais schießen wollte, flatterte eine weiße Taube in wildem Entsetzen aus der Menge hoch. Für einen Augenblick ließ seine Konzentration nach, und er schoss zu früh, sein Pfeil drang in den silbernen Ring. Kebra hatte gewonnen.
Seltsamerweise verspürte er keine Freude. Die Menge jubelte laut doch Kebra sah Nogusta an. Der schwarze Mann stand ganz still. Dirais wandte sich ab, ohne Kebra zu gratulieren. Kebra fasste ihn am Arm. »Warte!« befahl er.
»Worauf?« fragte der Ventrier.
»Ich möchte, dass du noch einmal schießt.« Dirais sah ihn erstaunt an, doch Kebra zog ihn zu der Linie.
»Was geht da vor?« fragte einer der Schiedsrichter.
»Irgend jemand hat diese Taube absichtlich fliegen lassen«, erklärte Kebra. »Ich habe Dirais gebeten, noch einmal zu schießen.«
»Das kannst du nicht«, sagte der Schiedsrichter. »Der letzte Schuß ist gefallen.« Der König kam durch die Menge, und der Schiedsrichter erklärte ihm, was vorgefallen war. Skanda ging zu Kebra.
»Bist du sicher, dass du das willst?« fragte er. Seine gute Laune war verschwunden, sein Gesicht hart und kalt. »Es macht doch keinen Sinn.«
»Ich bin seit fünfzehn Jahren Meister, Majestät. Ich habe jeden Mann geschlagen, der neben mir an dieser Linie stand. Ich habe sie durch meine Fähigkeiten geschlagen. Die Spottrufe waren unangenehm, aber ein wahrer Meister steht darüber. Aber die Taube ist etwas anderes. So eine hastige Bewegung würde jeden Mann ablenken. Es war Absicht um die Chancen dieses Mannes zu sabotieren. Und es gelang. Ich bitte dich, Majestät lasst ihn noch einmal schießen.«
Plötzlich grinste Skanda, und für einen Augenblick sah er wieder aus wie der Knabenkönig. »Dann soll es so sein«, entschied er.
Der König kletterte auf eine Absperrung, so dass er die Menge überragte. »Der Meister hat darum gebeten, dass sein Gegner noch einen Pfeil abschießen darf«, brüllte er. »Und wenn er das tut wird Ruhe herrschen.« Er sprang wieder auf die Erde und gab Dirais ein
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