Winterkrieger
abzureißen und an seiner Stelle ein Kolosseum zu errichten. Aber momentan war es die vorübergehende Unterkunft der alten Männer, die nach Hause geschickt wurden. Disziplin herrschte schon nicht mehr, und am Tor standen keine Wachtposten. Kein Hornsignal kündigte die Morgendämmerung an, kein Offizier überwachte Exerzierübungen.
Nogusta schauderte, als er über den verlassenen Paradeplatz zum Ostflügel ging, wo er sich einen Raum mit Bison und Kebra teilte.
Einst hatten Architekten aus aller Welt diese Kaserne besichtigt und ihren Bau bewundert. Jetzt war es ein sterbender Platz, voller verblichener Erinnerungen, die niemand mehr teilen wollte.
Müde stieg Nogusta die Treppen hinauf. Hier hingen keine Laternen mehr, das Innere wurde nur von einzelnen Mondstrahlen erhellt, die wie Speere durch die hohen Fenster auf jedem Treppenabsatz fielen. Langsam stieg Nogusta zum vierten Stock empor.
Kebra und Bison saßen in eisigem Schweigen im Zimmer. Nogusta vermutete, dass sie über die Frage der Winterschulden gesprochen hatten. Er ging an seinen Kameraden vorüber zum lodernden Feuer im Kamin. Seine Wärme war tröstlich.
Nogusta zog sein schwarzes Hemd aus und ließ das Feuer seinen Oberkörper wärmen. Das gold-silberne Amulett, das er trug, glitzerte im Feuerschein. Kälte berührte seinen Rücken, wie das Wispern eines eisigen Windes. Er drehte sich um, in der Erwartung, die Tür oder das Fenster offen zu sehen. Aber sie waren fest geschlossen.
»Habt ihr diesen Windhauch gespürt?« fragte er die beiden schweigenden Männer. Sie antworteten nicht Kebra saß mit versteinerter Miene auf seinem Bett, seine hellen Augen starrten Bison finster an. Plötzlich erfüllte eine eisige Kälte den Raum, alle Hitze vom Feuer erstarb. Nogusta starrte in die Flammen, die hoch loderten. Sie strahlten keinerlei Wärme aus. Die einzige Wärme, die er spürte, strahlte von dem halbmondförmigen Amulett auf seiner Brust auf. Es glühte strahlend hell. In diesem Augenblick erfasste den schwarzen Mann eine schreckliche Furcht denn er wusste, warum das Amulett glühte.
Bison sprang mit einem drohenden Knurren auf die Füße. »Du elender Verräter!« schrie er Kebra an. Seine große Hand riss das Schwert aus der Scheide. Der schlanke Bogenschütze zog einen Krummdolch und stand auf.
»Nein!« rief Nogusta und machte einen Satz auf die beiden zu. Seine Stimme, tief und kraftvoll, durchdrang die Spannung. Kebra zögerte. Doch Bison machte Anstalten, zum tödlichen Stoß anzusetzen. »Bison!« schrie Nogusta. Für einen Augenblick zögerte der Riese. Seine Augen glitzerten seltsam, sein Mund war zu einem Fauchen verzogen.
»Sieh mich an! Sofort!« brüllte Nogusta. Bison hielt wieder inne. Die Kälte war jetzt beinahe unerträglich, und Nogusta begann unkontrolliert zu zittern. Bison wandte sich ihm zu, seine Augen blickten abwesend. »Nimm meine Hand«, sagte Nogusta und streckte ihm seine Hand entgegen. »Um unserer Freundschaft willen, Bison. Nimm meine Hand!«
Bison blinzelte, und seine Miene wurde für eine Sekunde weicher. Dann flammte seine Wut erneut auf. »Ich bringe ihn um!«
»Nimm zuerst meine Hand, dann tu, was du tun musst«, drängte Nogusta. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte er, Bison würde sich weigern, doch dann reichte der große Mann ihm seine Hand. Ihre Finger berührten sich, ihre Hände umfassten einander. Bison stieß einen langen, schaudernden Seufzer aus und fiel auf die Knie. Kebra stürzte sich auf ihn. Nogusta nahm die Bewegung im letzten Augenblick wahr. Er zerrte Bison zurück und warf sich zwischen die beiden. Mit der linken Hand packte er Kebras Handgelenk. Das Gesicht des Bogenschützen war zu einer bösartigen Grimasse verzogen, seine hellen Augen quollen hervor. Nogusta hielt die Messerhand fest »Ruhig, Kebra«, sagte er. »Ganz ruhig. Ich bin es, Nogusta. Dein Freund Nogusta.«
Kebras verzerrtes Gesicht entspannte sich, der Wahnsinn ebbte ab. Er schauderte und ließ das Messer fallen.
Im Zimmer wurde es wieder wärmer. Nogusta ließ die beiden Männer los. Kebra sank auf das Bett.
»Ich … ich weiß nicht was in mich gefahren ist«, sagte Bison. Er stolperte auf Kebra zu. »Es tut mir leid«, sagte er. »Ehrlich.« Kebra sagte nichts. Er saß einfach nur da und starrte zu Boden.
Das glühende Licht aus Nogustas Amulett verblasste, bis nur noch der schlichte Halbmond mit der Hand, die ihn hielt da war.
»Wir wurden angegriffen«, sagte er leise. »Dich trifft keine Schuld,
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