Winterkrieger
ging. Das kleine Kind, Sufia, war erschöpft und Pharis brachte sie zu einer Couch, wo sie sich hinlegte und einschlief. Ulmenetha ließ die Kinder in der Wohnung zurück, nahm eine Laterne und machte sich auf den Weg zur Königlichen Bibliothek im Erdgeschoß. Dort gab es Tausende von Büchern und Hunderte von Schriftrollen. Sie suchte eine Weile im Inhaltsverzeichnis und fand dann drei alle Karten der Berge, ebenso wie das Tagebuch eines Reisenden, das von einer Wanderung von Usa nach Perapolis im Süden berichtete. Wenn die QUELLE mit ihnen war, dann würden sie diesem Weg wenigstens zum Teil folgen.
Als sie in die Wohnung zurückkehrte, fand sie den rothaarigen Jungen Conalin auf dem Balkon sitzend. Pharis und Sufia lagen aneinandergekuschelt auf der Couch und schliefen fest. Sie breitete eine Decke über die beiden und sah nach Axiana. Die Königin regte sich, schlug die Augen auf und lächelte verschlafen. »Ich hatte einen schrecklichen Traum«, sagte sie.
»Ruh dich aus, Herrin. Morgen brauchst du deine Kraft.« Axiana schloss die Augen wieder.
Ulmenetha trat hinaus auf den Balkon. Das Westviertel der Stadt stand in Flammen, und sie konnte in der Ferne Schreie hören. »Bist du denn nicht müde?« fragte sie Conalin.
»Ich bin stark«, sagte er.
»Ich weiß. Aber selbst die Starken brauchen Schlaf.«
»Sie bringen sich gegenseitig um«, sagte er und deutete auf die Flammen. »Sie rauben, plündern, vergewaltigen. Schlachten die Schwachen ab.«
»Macht dich das traurig?«
»Dazu sind die Schwachen da«, sagte er nüchtern. »Deswegen werde ich niemals schwach sein.«
»Wie hast du Pharis und die Kleine kennen gelernt?«
»Warum willst du das wissen?« fragte er.
»Ich möchte mich unterhalten, Conalin. Wenn wir Freunde sein wollen, müssen wir uns kennen lernen. So geht das nun mal. Was isst Pharis am liebsten?«
»Pflaumen. Warum?«
Sie lächelte. »Das gehört dazu, einen Freund zu kennen. Wenn du losgehst, um Essen zu stehlen, wirst du nach Pflaumen für Pharis Ausschau halten, weil du weißt, dass sie sie mag. Bescheid zu wissen ist gut unter Freunden. Also, wie habt ihr euch getroffen?«
»Ihre Mutter ist eine Hure, die auf der Kaufmannsstraße gearbeitet hat. Dort habe ich Pharis zum ersten Mal gesehen. Vor zwei Sommern. Ihre Mutter war betrunken und lag in der Gosse. Pharis versuchte sie aufzuheben, um sie nach Hause zu bringen.«
»Und du hast ihr geholfen?«
»Ja.«
»Warum hast du das getan?«
»Was meinst du?«
Ulmenetha zuckte die Achseln. »Du hast den Schwachen geholfen, Conalin. Warum hast du sie nicht einfach ausgeraubt und bist davongegangen?«
»Das wollte ich ja«, fauchte er. »Ich sah sie dort liegen und wusste, sie hatte Geld von den Männern, die bei ihr waren. Aber dann kam Pharis. Sie sah mich dort stehen und sagte: ›Nimm ihren Arm.‹ Und das tat ich. So haben wir uns kennen gelernt.«
»Was ist mit der Mutter passiert?«
Jetzt war es an ihm, die Achseln zu zucken. »Sie ist immer noch da. Sie verkaufte Pharis an ein Freudenhaus. Wo reiche Männer gern an jungen Mädchen rummachen. Ich habe sie da rausgeholt. Ich bin eines Nachts durchs Hinterfenster geklettert und hab’ sie herausgeholt.«
»Das war sehr tapfer von dir.« Er schien sich über das Lob zu freuen, seine harte Miene entspannte sich. Sofort sah er jünger aus und schrecklich verletzlich. Ulmenetha hätte ihm am liebsten übers Haar gestreichelt und ihn an sich gezogen. Er sprach weiter.
»Musste das Schloss an ihrem Zimmer aufbrechen. Und die ganze Zeit schlief der Brecher in einem Stuhl direkt daneben.«
»Der Brecher?« hakte sie nach.
»Der Beinbrecher. Der Mann, der auf die Mädchen auffraßt Na ja, sie sagen jedenfalls, er passt auf sie auf, aber wenn ein Mädchen nicht tut, was es soll, dann schlägt er sie.« Plötzlich grinste er. »Ich wette, er hat am nächsten Morgen mächtig Ärger gehabt.«
»Und was ist mit Sufia?«
»Wir fanden sie im Haus des Zauberers. Sie versteckte sich unter einem Bett. Sie war die letzte. Warum hat er die Kinder getötet?« fragte er.
»Ich nehme an, er betrieb Blutmagie«, sagte Ulmenetha. »Das ist eine abscheuliche Tat.«
»Davon gibt es viele«, sagte er leise. »Abscheuliche Taten.«
»Erzähl mir von dir«, bat sie.
»Nein«, erwiderte er schlicht. »Ich rede nicht über mich. Aber du hast recht ich bin müde. Ich denke, ich schlafe jetzt eine Weile.«
»Ich wecke dich, wenn Dagorian zurückkommt.«
»Das brauchst du nicht«, versicherte
Weitere Kostenlose Bücher