Winterkrieger
Dann werde ich uns den Weg zum Osttor bahnen. Wenn ich falle, halt nicht an. Verstanden?«
»Oh, ich werde schon nicht anhalten«, sagte Conalin. »Darauf kannst du dich verlassen.«
»Dann los.«
Die Straße der Könige war jetzt verlassen und geisterhaft still. Dagorian ritt voran, das Klappern der Hufe klang wie langsames Kriegstrommeln. Er zog seinen Säbel und spähte aufmerksam in alle Richtungen. Keine Spur von Leben.
Der Karren zog weiter. Nach achthundert Metern sahen sie eine Gruppe von Männern still am Straßenrand sitzen. Sie waren blutverschmiert, ihre Kleider rußfleckig. Sie blickten den Wagen an, machten aber keinerlei feindselige Bewegung. Ihre Augen waren stumpf, sie schienen zu Tode erschöpft.
Dagorian steckte seinen Säbel weg.
Sie erreichten das Tor und fanden sich in einer Wartelinie mit rund zwanzig Karren und Kutschen, alle besetzt mit flüchtenden Familien und ihren Habseligkeiten. Der Torbogen war schmal, und es dauerte seine Zeit, um die Wagen hindurch zu manövrieren. Eine Gruppe von Reitern wollte in die Stadt, konnte das Tor aber noch nicht passieren, und Dagorian hörte, wie ein zorniges Wortgefecht begann.
Er stieg ab, pflockte sein Pferd an und wollte gerade auf den Wagen klettern, als er die Stimme von Antikas Karios hörte. Er befahl gerade einem Wagenlenker, sein Fahrzeug beiseite zu fahren. Er duckte sich tief unter den Wagen und wartete, bis die Gruppe durch das Tor war und in vollem Galopp zum Palast donnerte.
Jetzt schien das Warten darauf, die Stadt verlassen zu können, geradezu endlos. Zwei ungeduldige Fahrer rückten gleichzeitig vor. Eins der Pferde stieg und trat gegen das andere Gespann. Beide Fahrer sprangen ab und begannen einen hitzigen Streit Dagorians Geduldsfaden riss. Er schwang sich in den Sattel und ritt zu den brüllenden Männern. Er zog seinen Säbel und hielt ihn dem ersten an den Hals. »Zurück mit euch«, sagte er, »oder ich schlitze dich auf wie einen Fisch!« Der Streit erstarb auf der Stelle. Der Mann stolperte zurück zu seinem Wagen und zog an den Zügeln, um sein Gespann zu wenden. Dagorian drehte sich im Sattel um und rief Conalin zu: »Fahr durch!«
Dann waren sie aus der Stadt heraus.
Conalin lenkte die Pferde den langen Anstieg zu den Bergen hinauf. Dagorian ritt an ihrer Seite. Er sah sich ständig um, da er jeden Moment erwartete, Verfolger hinter ihnen hergaloppieren zu sehen. »Gib ihnen ein wenig die Peitsche!« befahl er Conalin. Der Junge gehorchte, und die Pferde fielen in Galopp. Hinten im Wagen wurde Ulmenetha zur Seite geworfen. Die kleine Sufia begann zu weinen. Ulmenetha nahm sie in den Arm. »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte sie beruhigend. Die Pferde atmeten schwer, als sie die Hügelkuppe erreichten und auf die andere Seite hinunterfuhren. Außer Sichtweite der Stadt ließ Dagorian Conalin langsamer fahren und befahl ihm, weiter der Straße nach Süden und Westen zu folgen.
Der Offizier ritt zurück zum Kamm des Hügels und stieg ab. Wenige Minuten später sah er Antikas Karios und seine Männer die Stadt verlassen. Einen schrecklichen Moment lang glaubte er, sie wollten ihre Verfolgung aufnehmen, aber sie wandten sich direkt nach Westen zur Handelsstraße.
Wie lange würde es dauern, bis sie ihren Irrtum bemerkten? Eine Stunde? Weniger?
Er stieg wieder aufs Pferd und beeilte sich den Karren einzuholen. Axiana war jetzt bei Bewusstsein und starrte schweigend zu den Bergen hinaus. Dagorian band sein Pferd am Wagen an und kletterte hinein. »Für den Augenblick sind wir ihnen entwischt«, erklärte er Ulmenetha. »Wo sind die Karten?«
Ulmenetha reichte ihm die erste. Es war eine alte, trockene Schriftrolle, die er behutsam entrollte. Die abgebildete Stadt war erheblich kleiner als die Metropole, zu der Usa sich entwickelt hatte, aber die Gebirgsstraßen waren deutlich verzeichnet Sie bildeten einen Teil einer Handelsroute zur Geisterstadt Lem, die rund dreihundert Kilometer weiter südlich lag. Erbaut mit dem Reichtum aus den nahe gelegenen Silberminen – die seit über zweihundert Jahren erschöpft waren – war Lem jetzt nichts weiter als eine Ruinenstadt. Dagorian studierte die Karte sorgfältig. Sie würden etwa hundertfünfzig Kilometer weit nach Süden reisen, dann nach Westen abbiegen und diese Richtung gut hundert Kilometer weit beibehalten, wobei sie die Carpos-Berge überquerten und dann die Küstenstraße nach Caphis nehmen würden. Das war zwar nicht die nächstgelegene Hafenstadt aber
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