Winterland
Auto auf der anderen Straßenseite den Blick hebt und ihn direkt anzuschauen scheint. Er steht, so still er kann, und betet, dass der verdammte Bademantel nicht wie eine Lampe da drinnen in der Gasse leuchtet. Dann sieht er, wie der Polizist einen Schritt auf die Straße macht. Die Sonne glitzert auf der Maschinenpistole, als er sie anlegt. Er hört ihn rufen und sieht, dass er anfängt zu laufen.
»Ist denn von früher noch etwas übrig?«, hatte Richard gefragt und zur Tür genickt.
»Ein Schreibtisch und ein Stuhl, das ist alles«, hatte Morris geantwortet.
»Dann ist das ja ungefähr so wie in der guten alten Zeit.«
Richard trat über die Schwelle. »Abgesehen davon, dass wir auch noch die eine oder andere Karte hier drinnen hatten.«
»Die sehen auch immer noch gleich aus«, hatte Morris gesagt und sich Gabriella zugewandt, um ihr das zu erklären.
»Die Pufferzone ist unverändert. Die Insel ist geteilt. Es hat immer noch keinen Sinn, die Karten von dieser Insel umzuschreiben.«
»Status quo«, hatte Richard gesagt. »Darum dreht sich alles. Mehr konnten wir ja kaum tun. Den Status quo aufrechterhalten.«
Richard hatte mitten im Raum gestanden. Drinnen war es heller, als es von außen gewirkt hatte. Ein Fenster oben im Dach hatte etwas Licht hereingelassen. Er konnte sich an die Gerüche erinnern, den trockenen Geruch von Sonne und Wind, von Staub und sprödem Holz. Er erinnerte sich, dass die Wände so dünn gewesen waren, dass er ständig die Kollegen in den angrenzenden Räumen durch die schlechte Telefonverbindung mit der Hauptstadt hatte schreien hören.
Plötzlich hatte man ein schwaches Klingeln in dem stillen Raum gehört. Dan Morris hatte die Hand in die Innentasche seines Leinensakkos gesteckt, ein Handy herausgeholt, aufs Display geschaut und weggedrückt.
»Entschuldigung.«
»Lassen Sie sich durch uns nicht stören«, hatte Richard gesagt.
Doch Dan Morris hatte den Kopf geschüttelt. »Es ist nichts Wichtiges.« Er hatte durch die Tür hinausgeschaut in das Licht, das draußen sehr stark zu sein schien. Die Luft war durchsichtig wie Glas. »Aber jetzt werde ich mich mal aufmachen.« Er hatte Gabriella wieder die Hand entgegengestreckt. »War schön, Sie kennen zu lernen.« Dann hatte er den Blick von ihr gewandt und sie beide angeschaut. »Darf ich Sie vielleicht heute Abend zum Essen einladen?« Er hatte Gabriella zugelächelt. »Ich verspreche auch, dass wir nicht nur von den Vereinten Nationen reden werden.« Er hatte Richard angeschaut. »Lassen Sie mich eine Bar empfehlen, wo wir uns zu einem kleinen Aperitif treffen können.«
Er hört Schüsse hinter sich, eine Serie von Schüssen, die auf alles Mögliche zielen konnten. Er rennt auf gefühllosen Füßen, es ist, als würde man in Luft rennen, als würde man fliegen, aber nicht schnell genug.
Er läuft aus der Gasse zum anderen Ende des Viertels, und zwei Polizeiautos kommen ihm entgegen. Die Polizisten wissen, wie diese Stadt aussieht, wie sich die Gassen dahinschlängeln. Die brauchen keinen Stadtplan. Er eilt zurück in die Gasse, ein wahnsinniger Reflex. Aber er erinnert sich, dass er dort an einer Tür vorbeigelaufen ist, die angelehnt war. Da ist die Tür.
Sie waren zum Strand spaziert. Ein paar Touristen badeten, und das Wasser schien nicht allzu kalt zu sein.
»Wie gut kanntest du Dan Morris?«, hatte sie gefragt.
»Nicht besonders gut.«
»Hattet ihr keinen privaten Kontakt?«
»Na ja, wenn man so lebt und arbeitet, wie wir es taten, dann ist es nicht so leicht, zwischen privatem und, nun ja, dem anderen zu unterscheiden. Dem Job und der Repräsentation und so.«
»Aber ihr wart keine guten Freunde?«
»Nein, das kann man nicht sagen. Aber wir waren auch keine Feinde.«
Sie waren unten am Strand gewesen. Sie hatte ihre Sandalen ausgezogen und war ins Wasser gegangen.
»Es ist gar nicht kalt«, hatte sie gesagt und ein wenig dabei gelacht. »Zumindest nicht, wenn man es mit zu Hause vergleicht.«
»Das ist ja kein richtiger Vergleich«, hatte er eingewandt.
»Zu Hause hättest du zwischen Eisblöcken waten müssen.«
Etwas später, am Nachmittag, hatte sie gesagt, dass ihr ein wenig schwindlig sei. Sie hatten sich im Zimmer ausgeruht. Sie war aufgestanden und hatte ein Glas Wasser getrunken, sich dann aber wieder hingelegt. Eine Stunde später war der Schwindel immer noch da.
»Bestimmt kommt das von der Sonne«, hatte sie gesagt.
»Ich sollte es heute Abend wohl etwas ruhiger angehen. Schön
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