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Winterland

Winterland

Titel: Winterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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Es ist still.
    Er versucht, aufzustehen. Plötzlich schlägt jemand gegen eine Tür, die zu der Wohnung gehören muss. Die Laute kommen durch einen dunklen Flur gestürzt, den er sehen kann, wenn er den Kopf in die andere Richtung dreht. Er hört ein Rufen, wie einen Schrei, der lauter ist als der der Zikaden, mehr von Eisen als von Stahl. Jemand wirft sich gegen die Tür.

Klassentreffen
    Am Mittsommerabend besuchten wir ein paar Freunde und saßen auf der Terrasse unter einer aufgespannten doppelten Segeltuchplane. Es roch nach frischem Sommer und nach dem Salz vom Meer, das man in fünfhundert Metern Entfernung rauschen hören konnte. Der Regen war warm. Gegen Mitternacht tranken wir Whisky und hörten einem zum Herzen gehenden Sänger zu, der im richtigen lakonischen Tonfall von den Schmerzen der Liebe sang.
    Am nächsten Morgen brannte die Sonne unbarmherzig auf Gut und Böse herab. Es sollte der bis dahin heißeste Tag des Jahres werden. Die ganze Feuchtigkeit der Monate zuvor war noch in der Luft, und ich spürte eine tropische Wärme durch das Fenster kommen. Sonne nach dem Monsun. Es roch da draußen wie in einem ganz anderen Land. Es war still. Wie immer nach Mittsommer waren die Straßen menschenleer.
    »Musst du heute Abend wirklich zu diesem Treffen gehen, Erik?«
    Angela sah mich über den Tisch hinweg an. Die zweijährige Elsa mit demselben Blick. Schon als ich den ersten Duft der Tropen verspürt hatte, hatte ich gewusst, da war was. Es war immer was.
    »Verd…«, sagte ich und brach mitten im Wort ab. Das Kind.
    »Verd!«, rief Elsa.
    »Es ist doch schließlich freiwillig«, meinte Angela.
    »Würdest du da einen Rückzieher machen?«, fragte ich.
    »Du beantwortest eine Frage mit einer Frage«, erwiderte sie.
    »Hast du eine Frage gestellt? Ich dachte, du hättest eine vage Behauptung über Freiwilligkeit gemacht.«
    »Komm, nimm dir noch einen Kaffee«, sagte sie und lächelte.
    Ich trank und sehnte mich hinaus in die Wärme.
    »Ich habe es doch versprochen«, sagte ich nach einer Weile. »Ich bin sozusagen einer der Organisatoren.«
    »Okay, okay.«
    »Aber klar ist das der falsche Tag heute. Einige werden sicher ziemlich müde sein.«
    »Hättet ihr nicht einen anderen Termin nehmen können?«
    Sie lächelte wieder. »Du bist doch sozusagen einer der Organisatoren.«
    »Das war eigentlich der einzige Tag, an dem man die Leute zusammenkriegt. Danach reisen viele schon wieder ab.«
    Ich schenkte mir noch Kaffee nach und spürte die Müdigkeit aus meinem Körper weichen. Da wusste ich natürlich nicht, dass das Klassentreffen an diesem Abend, das ich mit organisiert hatte, furchtbare Folgen haben würde.
     
    Ein paar Leute hatten noch im letzten Moment abgesagt, aber die meisten waren doch da. Unsere Gesichter waren zwanzig Jahre älter, und die Zeit war zu einigen gnädig, zu anderen weniger gnädig gewesen.
    »Kommissar Winter hat sich fast nicht verändert«, sagte ein Typ, den ich wohl kaum wiedererkannt hätte, wenn er sich nicht vorgestellt hätte. Er hieß Erik, so wie ich. Erik Werner. Dieselben Initialen, das hatte in der Schule manchmal Probleme mit sich gebracht.
    »Mit 40 hat man das Gesicht, das man verdient«, antwortete ich.
    »Heißt es nicht mit 50?«, fragte Erik.
    »In deinem Fall heißt es mit 40«, gab ich zurück.
    »Sehr scharfsinnig«, erwiderte er und ging weg. Ich wusste nicht so recht, was er damit meinte. Oder was ich selbst gemeint hatte.
    Die ganze Veranstaltung wirkte ein wenig surrealistisch. Wir waren so wie früher, aber gleichzeitig auch andere Menschen, die unterschiedliche Reisen durch das Leben unternommen hatten. Ich konnte sehen, wer immer noch das Gefühl hatte, unterwegs zu sein, und wer meinte, seine Chancen verpasst zu haben. Sehr scharfsinnig!
    Einige machten die Verluste, die ihnen das Leben zugefügt hatte, an der Bar wett. Ich selbst trank weniger als sonst.
    Plötzlich stand meine alte Liebe da. Sie war gleichzeitig auch die erste.
    »Wie geht es dir?«, fragte sie.
    »Gut.«
    »Manchmal lese ich von dir.«
    »Tu’s nicht.«
    »Magst du es nicht, wenn sie über dich schreiben?«
    »Es geht dabei ja nicht um mich.«
    »Worum dann?«
    »Um Gewalt. Es geht um Gewalt. Am besten wäre es, da würde gar nichts stehen.«
    Ein Mann hatte sich zu uns gesellt.
    »Dann wärst du aber arbeitslos«, sagte er.
    »Hallo, Per.«
    Er nickte.
    »Und hallo, Monika«, sagte ich zu der Frau. Wir hatten uns noch nicht begrüßt.
    »Ganz schön viel Wasser unter der

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