Winterland
Götaälv-Brücke durchgeflossen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben«, sagte Per.
Jetzt war ich dran mit Nicken.
»Wir haben vor fünf Jahren geheiratet«, sagte er.
»Wie bitte?«
»Monika und ich.« Er legte seinen Arm um die Schultern der Frau. Sie lächelte, und ich meinte, ein wenig Verlegenheit in dem Lächeln zu erkennen. Oder ein wenig Schüchternheit.
»Das wusste ich nicht.«
»Vor einem halben Jahr sind wir wieder nach Göteborg gezogen«, sagte Per. »Zurück aus dem bekloppten Stockholm.«
»Herzlichen Glückwunsch.« Ich erhob mein Glas. »Zu beidem.«
Hinter ihm konnte ich Erik Werner sehen, der uns sein Gesicht zuwandte. Ich konnte mir seinen Gesichtsausdruck nicht erklären. Er sah aus wie hundert. Oder auch wieder wie zwanzig. Plötzlich erinnerte ich mich daran, dass Monika und Erik ein Paar gewesen waren. Ehe sie und ich eine Beziehung gehabt hatten, die kurz und ziemlich stürmisch, und gleichzeitig jung und unreif gewesen war. Vielleicht unschuldig.
Es war Erik Werner schwer gefallen, über den Verlust von Monika hinwegzukommen. Jetzt sah er so aus, als habe er sie wieder verloren.
Zwei Wochen waren seit dem Klassentreffen vergangen. Die Sonne schien wie verrückt, und die Leute fingen langsam an, über die Hitze zu klagen. Ich hatte gerade meinen Urlaub angetreten und hatte nicht vor zu klagen. Das Arbeitszimmer auf dem Polizeirevier war in den letzten Tagen wie ein Bunker gewesen.
Wir wollten gerade zum Strand fahren, als das Telefon klingelte.
»Monika ist verschwunden«, sagte Per gleich als Erstes. Seine Stimme schien ihm nicht mehr zu gehören. Ich hatte solche Stimmen schon oft gehört. Angst, die blanke Nervosität kurz vor der Panik.
»Was ist passiert?«
»Sie ist seit zwei Tagen weg«, sagte er. »Und keine Nachricht von ihr. Und jetzt frag nicht, ob das schon mal passiert ist, und all den Scheiß, denn das ist es natürlich nicht, und ob wir uns gestritten haben und so weiter und so weiter, oder ob ich sie verprügelt habe oder ob sie einen Liebhaber hat oder irgend so einen verdammten Mist!«
»Ich habe noch gar nichts gefragt.«
»Ihr ist irgendwas passiert«, sagte er. »Und sie hat das Auto dabei.«
»Hast du sie schon vermisst gemeldet?«
»Das tue ich ja gerade, Erik.«
Unsere kleine Familie kam an diesem Tag nicht zum Strand. Angela seufzte, sagte aber nichts. Elsa begriff noch nichts, aber lange würde das nicht mehr dauern.
Nachdem Per mir ein paar Dinge erzählt hatte, brachte ich eine Vermisstenanzeige auf den Weg.
Wir verabredeten uns in zwei Stunden zum Mittagessen. Ich hatte Urlaub, aber ich mochte ihn nicht einfach zu jemand anders schicken. Ich konnte mich zumindest mit ihm treffen und dann meine Kollegen die Sache übernehmen lassen.
Außerdem gefiel es mir nicht, wenn Menschen einfach verschwanden. Einige taten es aus freien Stücken, und nicht einmal das gefiel mir, aber wenn sie wegen eines Gewaltverbrechens verschwanden, dann machte mich das wütend.
Und dann hatte ich auch irgendwie einen persönlichen Anteil an dieser Sache.
Ich ging von zu Hause zu dem Restaurant auf der Avenyn und setzte mich draußen an einen Tisch. Irgendwo schlug eine Uhr. Ich bestellte ein Bier vom Fass und wartete.
Nach einer Viertelstunde fing der Kellner an, zu mir rüberzuschielen. Viele Leute warteten auf einen Tisch, und ich hatte noch nicht bestellt.
»Meine Leute sind unterwegs«, erklärte ich, als er näher kam. Außerdem hatte ich schließlich ein Bier bestellt, das so viel kostete wie das Tagesgericht.
Nach einer halben Stunde war mein Bierglas genauso leer wie der Stuhl mir gegenüber. Ich rief bei Per zu Hause an, die Nummer hatte er mir am Vormittag gegeben. Eigentlich hatte ich sie gar nicht haben wollen, sie mir dann aber doch ins Adressbuch geschrieben.
Der Anrufbeantworter verwies auf eine Handynummer. Ich rief dort an. Wieder ein Anrufbeantworter. Ich sah auf die Uhr. Er war eine Dreiviertelstunde verspätet. Das war ein eigentümliches Benehmen für einen Mann, der verzweifelt nach seiner vermissten Frau suchte und jetzt von einem … tja, einem Experten Hilfe bekommen konnte.
Ich rief wieder an, es nahm aber niemand ab. Also hinterließ ich eine Nachricht und stand auf. Der Kellner glotzte mich an. Hier würde ich nie wieder hingehen.
Wir fuhren am Nachmittag zum Strand. Mein Handy hatte ich eingeschaltet, aber es rief nur meine Mutter aus ihrem Haus in Nueva Andalucía an der spanischen Costa del Sol an. Die
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