Winterlicht
wollten fühlen, ob sie echt war. Alle wollten sich selbst davon überzeugen, dass sie jetzt nach Hause zurückkehren würden. Aber die Königin hielt nicht inne, sondern schritt weiter voran, als wäre sie dafür gebore n – als wäre sie für all das geboren. Endlich verstand Finnikin, warum er in den letzten Tagen so schweigsam und betrübt gewesen war.
Er wusste, was Finnikin von den Felsen Evanjalin aus den Bergen bedeutete. Aber er hatte keine Ahnung, wer er für Königin Isaboe war.
Lord Augustin und seine Familie kamen auf sie zu und die Königin wurde von den Frauen umringt. Hinter Lord Augustin näherten sich Botschafter Corden und sein Gefolge mit beunruhigten Gesichtern. Unwillkürlich zog Finnikin die Königin zu sich.
„Alles zurücktreten“, rief Botschafter Corden wichtigtuerisch. „Finnikin, bist du das unter all den Haaren? Es ist nicht erlaubt, die Königin anzufassen. Zurücktreten! Lady Celie, wärt Ihr so freundlich, ein angemessenes Gewand für Ihre Majestät herauszusuchen?“
Lord Augustin wirkte unbeeindruckt. Er schritt neben Finnikin her, als sie den Würdenträgern zum Hauptzelt folgten.
„Ich vermute, Ihr habt auch die ganze Zeit Bescheid gewusst“, sagte Finnikin, während er beobachtete, wie ungezwungen sich die Frauen unterhielten.
„Natürlich nicht“, erwiderte der Lord gereizt. „Und das liegt daran, dass ich nicht mit einer braven Novizin der Lagrami verheiratet bin, sondern mit einer, die mir erst beim Betreten dieses Tals gesagt hat, wer der Thronfolger ist.“
„Glaubt Ihr, die Königin hat Eurer Frau das Geheimnis verraten, als wir bei Euch zu Gast waren?“
Lord Augustin nickte. „Abie hat sofort gewusst, was los ist. Sie hat die frühere Königin gut gekannt. Außerdem hat Evanjalin meiner Frau und meiner Tochter gesagt, wer sie ist.“
Als sie auf das Hauptzelt zuliefen, kam ihnen eine Gesellschaft aus Adligen in vornehmen Seidengewändern entgegen.
„Lord Castian und sein Gefolge. Versuch nur nicht einzuschlafen, wenn er spricht“, brummte Lord Augustin leise.
Es folgten lange Tage des Wartens. Zweitausendzwölf Flüchtlinge waren zurückgekehrt und es wurden täglich mehr. Finnikin musste daran denken, wie das Tal vor zehn Jahren am Tag der Verfluchung ausgesehen hatte. Zu dieser Zeit hatten sie noch keine Ahnung gehabt, was ihnen bevorstand, aber sie konnten sich nur zu deutlich an das erinnern, was sie zurückgelassen hatten. Die Jahre des Exils hatten die Menschen zermürbt und stumm gemacht. Nun warteten sie wieder auf das Unbekannte, zu verzagt, um auf etwas anderes zu hoffen als eine neue Königin. Doch niemand wusste, wann sie das Haupttor angreifen würden, und von der Königin war nur wenig zu sehen.
Finnikin verbrachte die Zeit mit seinem Vater und den Gardisten, die Pläne für den Angriff schmiedeten.
„Wenn wir das Haupttor durchschreiten“, informierte Trevanion seine Männer, die sich in ein überfülltes Zelt gedrängt hatten, „werden wir sie in der ersten Minute mit mehr als eintausend Geschossen angreifen. Ich will die Reihen der Gegner mit der puren Masse unserer Pfeile schwächen und ich will unsere Verluste so gering wie möglich halten. Dann nimmt die Garde gemeinsam mit den besten Bogenschützen und Schwertkämpfern unter den Flüchtlingen den Palast ein.“
„Aber wie überwinden wir das Haupttor?“, fragte einer der Soldaten.
„Die Königin wird wissen, was zu tun ist“, antwortete Trevanion mit fester Stimme, um jedem Zweifler zu trotzen. Er sah zu Saro hinüber, der sich ihnen mit Lucian und ein paar Monts angeschlossen hatte. „Sowie die Bastarde des Thronräubers entdeckt haben, dass wir eingedrungen sind, werden sie in die Berge reiten und versuchen über die Grenze nach Charyn zu gelangen. Die Charyniten könnten dort bereits Stellung bezogen haben, um sofort einzumarschieren, falls der Bann gebrochen wird. Sie wollen den Thronräuber genauso tot sehen wie wir, aber nur, um ihn zum Schweigen zu bringen. Saro, wenn wir in das Königreich eindringen, reitest du sofort in die Berge. Nimm all deine Krieger.“ Trevanion wandte sich wieder seiner Garde zu. „Achtet darauf, dass ihr den Flüchtlingen, die an eurer Seite kämpfen, die Stellung erklärt, bevor die Schlacht beginnt.“
„Wann werden wir losschlagen?“, fragte Saro.
Trevanions Blick fand Finnikin in der Menge. „Diese Entscheidung liegt bei der Königin“, sagte er. „Sie wartet auf ein Zeichen.“
Finnikin bildete Sefton und die
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