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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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Hauptmann würde weder Finnikin noch Evanjalin gestatten etwas zu tun, was sie in Gefahr brächte. Deshalb war er froh, als Finnikin und Lucian zurückkamen. Jetzt konnten sie endlich ins Tal hinuntergehen und der Hauptmann würde wieder das Kommando übernehmen und Finnikin einfach verbieten, sich auf lebensgefährliche Dinge einzulassen.
    Er sah zu, wie sich Finnikin wieder auf sein Pferd schwang. Sein Ärmel war blutdurchtränkt. Froi gefiel die Art, wie Finnikin hinter sich griff, Evanjalins Hand nahm und ihren Arm um seine Taille legte. Alles schien wieder wie früher zu sein, denn Finnikin hatte sie schon immer gerne berührt.
    „Gehen wir“, sagte Finnikin ruhig. Und wie schon in den vergangenen Tagen gehorchten ihm alle.

Kapitel 24

    A ls sie den Hügel erreichten, von dem aus man das Tal der Stille überblicken konnte, sah Finnikin den Nebel. Es war unmöglich, sich dem Tal zu nähern, ohne die dunklen Schwaden wahrzunehmen, die das Königreich verhüllten. Doch etwas anderes raubte ihm den Atem. Es lag genau vor ihnen. Nicht das Tal, sondern ein Meer. Ein Meer von Menschen. Hunderte, die darauf warteten, nach Hause zurückzukehren. Finnikin hörte die Königin hinter sich schluchzen.
    „Ich möchte zu Fuß gehen“, verkündete sie und saß ab. Er saß ebenfalls ab und folgte ihr. Seine Rechte ruhte auf dem Griff des Schwertes, falls etwas Unvorhergesehenes geschehen sollte. Hier waren zu viele Menschen, jeder konnte eine Bedrohung für Isaboe sein. Er war an die kleinen Flüchtlingslager gewöhnt, nicht an den Anblick des halben Königreichs.
    Als sie die Menge erreichten, bemerkte er, dass alle Versammelten voller Tatkraft waren. An einem Ende der Siedlung befand sich ein Ausbildungslager, in dem Waffen hergestellt wurden und Männer Schießübungen machten. An anderen Stellen redeten und diskutierten Leute in Gruppen und er erkannte Lord Augustin und Lady Abian, die Essen verteilten.
    Finnikin erhaschte einen kurzen Blick auf Trevanion und seine Gardisten, die zu Pferde an der Grenze patrouillierten, und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich erleichtert. Als hätte Trevanion ihre Anwesenheit gespürt, drehte er sich zu dem Abhang um, an dem Finnikin und Isaboe standen. Er wechselte ein paar Worte mit seinen Männern und die Garde bahnte sich einen Weg zu ihnen. Finnikin war wieder neun Jahre alt, er platzte beinahe vor Stolz. Niemals würde er etwas Eindrucksvolleres zu Gesicht bekommen als seinen Vater hoch zu Ross, gefolgt von der Königlichen Garde.
    Trevanion stieg ab, streckte den Arm aus und legte die Hand auf Finnikins Schulter. Finnikin wusste, dass diese Geste nicht nur eine Begrüßung war. Sie war eine Vergewisserung all dessen, was sich in den nächsten Tagen jenseits des Haupttores ereignen würde.
    Trevanions Männer saßen ebenfalls ab, und um sie herum hielten die Flüchtlinge an, um zu sehen, was hier geschah.
    Dann trat der Hauptmann der Königlichen Garde vor die Königin. Er kniete nieder und verbeugte sich tief vor ihr. Seine Männer folgten seinem Beispiel und Stille senkte sich über das Tal.
    Finnikin sah die Tränen in den Augen der Königin, als sie auf die Männer hinabblickte. Sie wirkte zart und verletzlich, und er sorgte sich um sie, doch dann erinnerte er sich daran, dass Isaboe, die jüngste Tochter des Königs und der Königin von Lumatere, Tausende von Meilen zurückgelegt hatte, um hierherzugelangen. Und er wusste, dass diese Beharrlichkeit, viel mehr als ihre königliche Herkunft, seinen Vater dazu veranlasste, sich vor ihr zu verneigen. Die königliche Familie Lumateres stammte wahrhaftig von den Göttern ab. Niemals zuvor hatte Finnikin mehr daran geglaubt als in diesem Moment, da er seinen Vater vor der Königin knien sah.
    Nach einer Weile erhob sich Trevanion. Finnikin reichte Isaboe die Hand. Still und zurückhaltend schritt sie zwischen den Flüchtlingen einher. Niemand sprach ein Wort und Finnikin wusste, dass die Menschen tief bewegt waren. Ein Arm wurde nach der Königin ausgestreckt und augenblicklich baute sich Finnikin mit dem Schwert schützend vor ihr auf. Doch sie berührte ihn nur sanft und ging an ihm vorbei. Obwohl Finnikin sie am Arm hielt, wurde sie von der Menge verschluckt. Sie drängte sich regelrecht zwischen die Menschen, bis sie ein Teil der Menge wurde.
    „Weiche ihr nicht von der Seite“, hörte er Trevanion sagen.
    Sie wurden von einer Seite zur anderen gedrängt, Hände griffen nach ihr, wollten die Königin berühren,

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