Winterlicht
Stimme.
Der befehlshabende Soldat schüttelte den Kopf. „Sie muss jetzt bei ihrer Familie und ihrem Obersten Ratgeber sein. In welcher Beziehung stehst du zu ihr?“
Ja, in welcher Beziehung stand er zu der Königin von Lumatere?
Ehe er noch etwas sagen konnte, tauchte Lucian am Zelteingang auf. „Er gehört zu uns“, sagte er und trat beiseite, damit Finnikin eintreten konnte.
Von seinem Platz aus konnte er sie nicht sehen. Saro, seine Brüder und ihre Frauen drängten sich in der Mitte des Zelts. Er entdeckte Sir Topher, der sich zu Saro gebeugt hatte und mit ihm sprach.
„Sie haben den Silberwolf gefangen“, raunte Lucian, der neben Finnikin stehen geblieben war. „In der Höhle, die wir gegraben haben. Und dann haben sie ihn mit Laub und Blättern zugedeckt.“
„Wer?“
„Balthasar und Isaboe. In jener Nacht. Und als der Mörder sie verfolgte, versteckte Balthasar Isaboe in einer Höhle und führte den Täter zu der Falle.“
Finnikin war entsetzt.
„Später ist Isaboe ans Haupttor zurückgekehrt“, fuhr Lucian fort und beobachtete, was sich am Bett der Yata abspielte, „aber man hatte die Leichen der Königsfamilie bereits entdeckt und das Tor war versperrt. Sie wusste, dass sich im Palast etwas genauso Entsetzliches ereignet haben musste wie draußen im Wald. Deshalb kehrte sie zurück, suchte Seranonna und führte sie dorthin, wo Balthasa r …“, Lucian schauderte, „wo Balthasar tot neben dem Mörder in dem Loch lag, das wir gegraben hatten. Mit ausgerissenen Gliedern. Der Wolf war noch am Leben.“
„Haben sie das Tier zusammen mit Balthasar und dem Attentäter lebendig begraben?“, fragte Finnikin heiser.
Lucian schüttelte den Kopf. „Isaboe wollte nicht zulassen, dass ihr Bruder neben dem Attentäter beerdigt wird. Sie fürchtete, dass die Götter Balthasar nicht zu seinem vorbestimmten Platz im Jenseits geleiten würden. Sie tötete den Wolf mit Balthasars Armbrust. Sie sagte, schon als Kind hätte ihr Finnikin von den Felsen beigebracht, wie man schießt. Seranonna barg die Leichen, die des Wolfes und die Balthasars, und beerdigte sie gemeinsam. Dann läuteten die Totenglocken vom Palast her. Seranonna ahnte, dass Isaboe womöglich die einzige Überlebende der königlichen Familie war. Sie sorgte dafür, dass die Mörder, wer auch immer sie waren, annehmen mussten, dass Isaboe und nicht Balthasar gestorben war. Damit sie nie nach einem kleinen Mädchen suchten.“
„Und die Kleide r … die Haar e …“ Finnikin musste schlucken.
„Gehörten alle Isaboe. Aber die Finge r … die Ohre n …“
„Hab Erbarmen.“
Die Königin schlief, den Kopf hatte sie in den Schoß ihrer Großmutter gelegt, als hätten die zehn Jahre der Heimatlosigkeit sie schließlich doch erschöpft.
Die Yata erblickte Finnikin zwischen den vielen Menschen und winkte ihn zu sich.
„Jedes Mal, wenn sie aufwacht, fragt sie nach dir“, sagte sie lächelnd, als er näher kam.
In welcher Beziehung stehst du zu ihr?
Er kniete neben dem Bett nieder. Wie gerne hätte er jetzt die Hand ausgestreckt und die zarte Haut berührt. „Sie wollte immer nur zu Euch nach Hause zurückkehren“, sagte er leise.
Die Yata schüttelte den Kopf. „Nein. In diesen wenigen, kostbaren Augenblicken ist sie mein, und ich bin so selbstsüchtig und nutze jede Gelegenheit, sie bei mir zu haben. Aber während all der Jahre wollte sie nur zu ihrem Volk nach Lumatere zurückkehren.“ Sie nahm seine Hand und legte sie neben die Wange der Königin. „Ist sie meiner geliebten Tochter nicht wie aus dem Gesicht geschnitten?“, fragte sie mit Tränen in den Augen. „Meine anderen geliebten Enkelinnen waren das Ebenbild ihres guten Vaters, des Königs, der meine Tochter wie eine Königin behandelt hat, von dem Moment an, als er sie zum ersten Mal sah. Doch diese hier? Sie war immer unser kleines Bergmädchen.“
Finnikin blickte zu Saro auf. „Wenn ich mir eine Bitte erlauben darf: Schickt Eure Leute heute Nacht ins Tal voraus, damit unsere Reisegesellschaft möglichst klein ist. Wir sollten hier, so nahe an den Toren Lumateres, keine unnötige Aufmerksamkeit erregen. Und das Wichtigste ist jetzt, die Königin zu schützen. Wir müssen Trevanion mitteilen, dass Isaboe ins Tal zurückkehrt, um ihr Volk nach Hause zu führen.“
Saro nickte. „Meine Brüder sollen ihm die Nachricht überbringen.“
„Beim ersten Tageslicht brechen wir auf“, entschied Finnikin.
Gemeinsam mit den letzten Monts verließen sie am
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