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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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mit dem Herzen eines Königs geboren wurdest. Eines Kriegers. Eines wahren Resurdus.“
    Finnikin schüttelte den Kopf.
    „Aber ich zweifle noch an dir“, fuhr Sir Topher fort, „und zwar weil du an dir zweifelst. Isaboe ist nicht nur eine Königin. Sie ist ein kostbares Gut, ein Werkzeug, das es zu nutzen gilt. Und sie weiß das besser als jeder andere in diesem Königreich. Sie wurde mit den gleichen Gaben wie ihre Schwestern geboren. Wenn nicht du ihr König werden willst, sind wir gezwungen, den Thron von Lumatere durch ein Bündnis mit Osteria oder Belegonia zu sichern.“
    Finnikin ballte die Hände zu Fäusten und der Pfeil in seiner Hand knickte ab. Sir Topher sah ihn besorgt an und Finnikins Augen füllten sich mit Tränen.
    „Während du die ganze Zeit über stur die Krone abgelehnt hast, haben dich andere schon auf die Pflichten eines Königs vorbereitet“, sagte der Priesterkönig.
    „Eine gestohlene Krone, verehrungswürdiger Barakah. Die Krone eines toten Jungen“, erwiderte Finnikin erbittert. „Hat Isaboe bei der Wahl ihres Mannes kein Mitspracherecht? War ich für sie die ganze Zeit nur Teil einer Prophezeiung, die sich erfüllen sollte?“ Er schüttelte aufgebracht den Kopf. „Wir sind nur Spielzeuge der Götter, aber trotzdem möchte ich selbst über mein Leben bestimmen.“
    „Hast du niemals etwas gegen deinen Willen getan?“, fragte der Priesterkönig. „Heute habe ich eine Geschichte gehört. Sie handelt von einem zwölfjährigen Jungen, der bei unserem Botschafter in Osteria zu Gast war und dort zum ersten Mal ein Flüchtlingslager betrat. Nichts hatte dich auf diesen Anblick vorbereitet, nicht wahr? Du musstest Furchtbares mit ansehe n – Kinder, die halb verhungert waren. Ich habe nie verstanden, was sie noch auf den Beinen hielt. Der Junge ging am selben Tag zu seinem Mentor und sagte: ‚Was heißt: Gebt diesen Menschen zu essen?‘ Doch unser Botschafter und der Mentor des Jungen gaben keine Antwort. Sie waren Gäste des Königs von Osteria, und obwohl sie die Notlage ihres Volkes schmerzte, konnten sie keine Abhilfe schaffen. Wie oft hatten sich diese Männer gesagt: ‚Wir können nichts tun.‘ Aber der Junge wollte nicht aufgeben. Er lernte, was die Worte bedeuteten, von einem der osterianischen Diener. Und als er zum König von Osteria ritt, rief er sie immer und immer wieder: ‚Gebt diesen Menschen zu essen.‘ Er warf sogar einen Stein auf den König, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Natürlich nahm die Garde den Jungen fest und schleifte ihn davon. Es kostete unseren Botschafter dreißig Tage, seine Freilassung zu erwirken. Dreißig Tage, die er gefesselt an einer Steinwand im Kerker des Palastes verbringen musste, weil er den König gedemütigt hatte.“
    Finnikin schlug die Augen nieder.
    „Sieh mich an, mein Junge“, sagte der Priesterkönig. „Diese Leute waren wohlgenährt. Deshalb schämten sich erwachsene Männer, auch der König, vor einem zwölfjährigen Jungen. Von diesem Tag an gab der Oberste Ratgeber dem Jungen Unterricht in allen Sprachen des Landes. Habe ich Recht?“
    Finnikin nickte widerwillig.
    „Vielleicht sind wir nur Spielzeuge der Götter“, sagte der Priesterkönig. „Aber wir Sterbliche schenken ihnen die Werkzeuge, mit denen sie diese Spielzeuge fertigen.“
    Als Finnikin sich dem Zelt der Königin näherte, sah er Aldron davor Wache stehen.
    „Ich muss zu ihr“, sagte er in kühlem Ton.
    „Du stehst nicht auf der Liste der Zugelassenen“, sagte Aldron.
    „Darf ich fragen, wo sich diese Liste befindet?“
    Aldron tippte sich an den Kopf. „Ist hier drin.“
    „Gut zu wissen, dass dort überhaupt etwas ist.“
    Aldron lächelte trotz des Spottes. „Ich werde ihr sagen, dass du da bist, und fragen, ob sie dich empfangen will.“ Er drehte ihm kurz den Rücken zu, doch Finnikin zerrte ihn zurück. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt; jede Faser von Finnikins Körper war von Zorn erfüllt.
    „Dreh nie wieder jemandem den Rücken zu, der eine Bedrohung für die Königin sein könnte“, knurrte er.
    Plötzlich waren Lord Augustin und Sir Topher zur Stelle und zogen Finnikin weg. „Was ist hier los?“, fragte Lord Augustin.
    Aldron starrte Finnikin an, zog seine Kleidung zurecht und ging zurück an seinen Platz, während die anderen auf eine Antwort warteten. Er nickte Finnikin wie zur Bestätigung zu.
    „Nichts“, sagte Aldron leise. „Mein Fehler.“
    Im Inneren des Zeltes stand Isaboe

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