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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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Dorfjungen aus. Sie gehörten zu den Flüchtlingen, die von den Charyniten als Geiseln genommen worden waren. Die starken, stämmigen jungen Männer waren in Finnikins Alter. Als Finnikin ins Tal gekommen war, hatten sie ihn sofort wiedererkannt und sich um ihn geschart, denn sie wollten unbedingt an der bevorstehenden Schlacht teilnehmen. Auch Froi war gewöhnlich in der Nähe. Der Dieb verbrachte seine Zeit als Bote. Er hetzte von einem Ende des Tals zum anderen und stellte sicher, dass die Verbindung zwischen der Garde, den Adligen, dem Obersten Ratgeber der Königin, der Königin selbst und dem Priesterkönig nicht abriss. Nicht ein einziges Mal beklagte sich der Junge über seine kräftezehrende Aufgabe. Finnikin spürte instinktiv, dass er ihn nicht beschützen musste. Froi schien zu einer zähen Sippe zu gehören, aber mehr als das würde man wohl nie über ihn erfahren. Es gab keine Hinweise darauf, aus welcher Familie er stammte. Froi hatte keinerlei Erinnerung an seine Zeit vor Sarnak. Er war eine jener Waisen, deren Leben als Lumaterer erst in diesem Moment begann.
    Am fünften Tag wurde Finnikin von Sir Topher und dem Priesterkönig dabei beobachtet, wie er die schnellsten Bogenschützen aus einer Gruppe Flüchtlinge auswählte. Seit sie das Tal erreicht hatten, hatte er sich von seinem Mentor ferngehalten.
    „Sir“, grüßte Finnikin höflich. „Verehrungswürdiger Barakah.“ Er spürte den stechenden Blick des Priesterkönigs auf sich ruhen.
    „Ich werde auf deine Frage antworten, Finnikin“, sagte Sir Topher.
    „Ich habe keine Frage gestellt“, erwiderte Finnikin schroff.
    „Aber du wolltest es“, antwortete Sir Topher mit sanfter Stimme. „Und zwar von dem Augenblick an, in dem du erfahren hast, wer sie ist.“
    Finnikin seufzte und blickte sich im Tal um. Viele Flüchtlinge machten sich wieder mit ihren Nachbarn bekannt, nachdem sie deren Namen im Buch von Lumatere gefunden hatten.
    „Sefton, kannst du übernehmen?“, rief Finnikin. Er führte Sir Topher und den Priesterkönig vom Übungsplatz weg zum Lager hinüber.
    „Hat sie es Euch gesagt oder habt Ihr es selbst herausgefunden?“, fragte er ohne Umschweife, während sie sich dem abgesicherten Bereich näherten, in dem die Königin untergebracht war.
    „Sie ahnte, dass ich es wusste“, sagte Sir Topher wahrheitsgemäß, „aber ich hätte mir niemals vorstellen können, dass ausgerechnet das jüngste Kind des Königspaares überleben würde. Ausgerechnet dieses zarte Geschöpf unter all den furchtlosen Geschwistern ist die einzige Überlebende. Wer hätte damit gerechnet?“
    „War es der Ring?“
    Sir Topher schüttelte den Kopf. „Nein. Der Ring wurde Jahre vor den Fünf Tagen des Unsagbaren in Lumatere gestohlen. Zuerst dachte ich, ihr Vater müsse der Dieb gewesen sein. Trevanion erzählte uns, wie sie den Ring in Sarnak zurückgewonnen hatte.“ Er hielt kurz inne. „Als ich ihr in Sprie direkt ins Gesicht gesehen habe, hatte ich den ersten Verdacht. Du musst wissen, dass ich schon am Hofe war, als der König die Königin als junge Frau zu sich geholt hat. Für die nächsten zwanzig Jahre habe ich jeden Tag in ihre Gesichter geblickt. Ich kannte die Eigenheiten der Königin, das Mienenspiel des Königs, den Charakter der Kinder. Später, als du in Sorel im Gefängnis warst, sagte sie etwas zu mir, was ich den König mehr als einmal zu seinen Kindern habe sagen hören: ‚Bereite dich stets auf das Schlimmste vor, denn es wohnt Tür an Tür mit dem Besten.‘“
    „Ihr habt mich nie nach dem Boten gefragt, der uns zu dem Kloster in Sendecane geschickt hat“, sagte Finnikin.
    „Weil du so überzeugend geklungen hast. Ich habe dir vertraut und nun sieh, wohin dieses Vertrauen unser Volk gebracht hat. Wir haben erreicht, was wir uns immer gewünscht haben: alle Flüchtlinge vereint auf einem Stück Land. Schon dafür müssen wir dankbar sein.“
    „Doch Ihr habt mir nicht genug vertraut, um mich in Euren Verdacht einzuweihen.“ Finnikin konnte den Schmerz und den Ärger in seiner Stimme nicht unterdrücken.
    „Weil du unseren Weg gehen solltest. Ich fürchtete, dass du dich aus falschem Schuldbewusstsein von unserer Mission zurückgezogen hättest, wenn herausgekommen wäre, dass ein Mitglied der königlichen Familie am Leben ist. Eine fixe Idee aus Kindertagen lässt dich glauben, dass du durch deine eigenen ehrgeizigen Gedanken den Tod des Thronfolgers verursacht hättest. Ich aber war immer davon überzeugt, dass du

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