Winterlicht
kalt an und er schüttelte heftig den Kopf.
„Finnikin, wenn du sie in den Wagen legst, wird alles getan, um ihr zu helfen. Tesadora ist vielleicht die Einzige, die sie retten kann.“
Etwas in Perris Stimme brachte ihn dazu, die Königin freizugeben. Er wusste, dass Perri niemandem außer der Garde und Trevanion traute. Perri ging zu Finnikin, um ihm zu helfen, die Königin in den Wagen zu legen, doch Tesadora fauchte sie an und die jungen Novizinnen schrien vor Angst.
„Nicht einen Schritt näher“, drohte Tesadora. „Legt sie auf den Boden und verschwindet.“
„Wir wollen deinen Mädchen nichts tun“, sagte Perri ungeduldig. „Lass uns die Königin auf den Wagen legen.“
Die Novizinnen starrten Finnikin an, als er Isaboe neben ihnen ablegte. Für sie war er eine Art Teufel. Hatte er sich etwa in einen verwandelt? Konnten sie die Dunkelheit in seinen Augen sehen? Er beugte sich langsam vor und drückte seine Lippen auf Isaboes kalte Haut. Dann ruckelte der Wagen davon.
„Lass dich nicht von der Dunkelheit verzehren, Finnikin von den Felsen!“ Die Zügel fest in der Hand, verschwand Tesadora in den dunklen Rauchschwaden.
Als Finnikin Perri in die Schlacht folgte, wurde er von dem Verlangen zu töten überwältigt. Jedes Mal, wenn er in die Augen eines Feindes blickte, sah er einen Schuldigen, der für die Qualen seines Volkes haftete. Er musste herhalten für all jene, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder durch das Schwert umgekommen waren, für alle, die den Tod durch den Strick gefunden hatten, für alle, die das Fieber schüttelte oder der Hunger peinigte. Noch schlimmer war, dass er den Schmerz der Angehörigen spürte, die hilflos danebenstehen und den Tod der geliebten Menschen mit ansehen mussten. Dieses Leid hatte die Novizin Evanjalin mit verhärmtem Gesicht und einem verzweifelten Herzen immer wieder straucheln lassen, wenn sie die Träume der Lumaterer besucht hatte. Finnikin konnte sie vor dem Schwert eines Feindes retten, aber wie sollte er sie vor dem Leid ihres Volkes schützen?
Eintausend Pfeile fanden innerhalb der ersten Minute ihr Ziel. Als der Feind zu fallen begann, entfesselten Trevanions Männer und die Monts ein Wüten, das aus zehn Jahren im Exil geboren war. Äxte zertrümmerten Knochen. Klingen schnitten ins Fleisch. Männer, die einst Bauern gewesen waren, mähten ihre Feinde nieder, als ernteten sie Weizen.
Am frühen Abend brachen sie durch das Palasttor und nahmen die Außenanlagen ein, wohin sich die Hälfte der Besatzer zurückgezogen hatte. Finnikin sah zu, wie der Spielplatz seiner Kindheit zu einem Schlachtfeld wurde. Doch es gab Berichte, dass weiter im Inneren eine noch heftigere Schlacht wütete. Einem der Gardisten zufolge kämpften Saro und die Monts am Fuß der Berge gegen eine feindliche Truppe, der sich auch der Thronräuber angeschlossen hatte. Trevanion überließ Perri das Kommando und machte sich mit Finnikin auf den Weg in die Berge. Während sie durch das Königreich ritten, sah Finnikin das ganze Ausmaß des Infernos. Jedes Dorf im Tiefland stand in Flammen. Er betete, dass die Dorfbewohner ihren brennenden Hütten entkommen waren. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, diese Bauernhöfe in den kommenden Tagen nach den verkohlten Überresten der Bewohner durchsuchen zu müssen.
Als sie den Fuß der Berge erreichten, standen sie Hunderten von Männern in einer erbitterten Schlacht gegenüber. Die Monts führten gnadenlose Angriffe. Finnikin wusste, dass sie die Männer des Thronräubers um jeden Preis daran hindern würden, die Berggipfel zu erreichen. Er erhaschte einen Blick auf Lucian und erkannte sofort, was ihn von den anderen Kämpfern unterschied. Es war nicht nur seine Größe, sondern vor allem der gleichmäßige Rhythmus, mit dem er seine Axt schwang, die Fähigkeit, einen Schlag in Sekunden auszuführen, für den andere Minuten brauchten. Lucian zögerte nicht einen Moment, während er neben seinem Vater im Feld stand. Es schien, als hätte er ein Leben lang darauf gewartet, seinen Vetter zu rächen, als wäre dies der Tag der Abrechnung.
Finnikin fragte sich, wann sein eigenes Bedürfnis nach Vergeltung befriedigt sein würde. Reichte es aus, wenn er das Schwert in das Fleisch des Feindes stieß und in die leeren Augen des Todes blickte? Er hatte niemals etwas Grausameres gesehen als die Schlacht um Lumatere. Er hielt sich dicht neben seinem Vater. Manchmal wollte er aufheulen vor Erschöpfung und bettelte um ein Schwert, das
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