Winterlicht
haben wir verloren?“, fragte er Perri.
„Zu viele“, murmelte Perri. „Und der Thronräuber?“
„Eingesperrt in den Palast mit dem Rest des Abschaums“, antwortete Trevanion und betrachtete das Elend um sich herum. Als er nach der Königin fragte, spürte er Frois Aufregung. Es schien fast so, als hätte der Junge aufgehört zu atmen.
„Im Kloster der Sagrami“, sagte Perri leise.
„Wir müssen sie zählen“, sagte Trevanion und machte eine Geste in Richtung der Toten, die am Rand des Platzes abgelegt worden waren.
Frois Miene drückte Zustimmung aus. „Habe verstanden. Ich mache mich nützlich und zähle die Toten.“
Trevanion hielt ihn am Arm zurück. „Eine traurige Aufgabe. Meine, nicht deine. Geh zurück zum Tal der Stille und sag Sir Topher, dass der Thronräuber gestürzt wurde. Dann finde den Priesterkönig und bring ihn nach Hause.“
Trevanion sah zu Augustin aus dem Tiefland hinüber, der mit dem Kopf in den Händen zwischen zwei Leichen hockte, dem Ehemann seiner Schwester und Matin, einem seiner Männer. Er erinnerte sich an die Begeisterung in jener Nacht in Augustins Haus, an die Gespräche und die tiefe Freundschaft zwischen den Angehörigen. Und an den Schlüssel, den Matin ihm gezeigt hatte. „Das ist der Schlüssel zu meinem Haus in Lumatere“, sagte er. „Ich trage ihn immer in meiner Tasche, damit er mich stets daran erinnert, dass ich eines schönen Tages dorthin zurückkehren werde.“
Trevanion hatte sowohl Saro als auch Ced, einen der jüngeren Gardisten, fallen sehen. Ced war der Erste gewesen, der den Palast betreten hatte, und der Erste, der gestorben war. Ced, der Letzte seiner Familie. Einem der Männer, die Trevanion und seine Leute vor nicht einmal sieben Tagen vor den Charyniten gerettet hatten, schloss der Hauptmann in der behelfsmäßig eingerichteten Leichenhalle die Augen.
Und dann sah er sie. Langsam ging die Sonne an einem blutroten Himmel auf, während Lumatere noch immer brannte. Die Frau trug frische Tücher und stand am Rand des Platzes. Es trennten sie beide die langen Reihen der Verwundeten, die sie zu versorgen hatte.
Ein Kind stand neben ihr. Es sah aus wie eine kleine Beatriss und seine Augen hatten die Farbe des Himmels.
Er dachte an das Kind, das sie gemeinsam gezeugt hatten, das Kind, das in den Kerkern des Palastes starb, wo jetzt der Thronräuber eingesperrt war. Sein Gesicht spiegelte den Hass gegen jene wider, die ihm so viel genommen hatten.
Beatriss aus dem Tiefland sah den Zorn in seinen Augen, als er ihr Kind betrachtete, sah den Hass. Da bedeckte sie die Augen des Kindes und ging davon.
Später kehrte Trevanion zum Fuß der Berge zurück, wo die Monts ihre Toten einsammelten. Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend machte er sich auf die Suche nach Finnikin. Er fand ihn bei Lucian. Die beiden jungen Männer saßen mit vor Erschöpfung und Trauer gebeugten Köpfen neben Saros Leichnam. Beide erhoben sich, als er auf sie zukam. Trevanion legte die Hand auf Lucians Schulter und küsste ihn, um ihm in der Tradition der Monts Respekt zu erweisen.
„Das Letzte, worüber Saro und ich sprachen, war, wie stolz wir auf unsere Söhne sind.“
Lucian nickte. Er war unfähig zu sprechen. „Ich muss meinen Vater nach Hause bringen“, sagte er schließlich.
„Ich werde einen Gardisten damit beauftragen.“
„Nein, ich will meinen Vater jetzt nach Hause tragen. Ich möchte seinen Körper auf unsere Felsen legen, solange er noch warm ist. Davon hat er die ganzen letzten zehn Jahre gesprochen. Er wollte in seine Berge zurückzukehren.“
Finnikin legte den Arm um Lucians Nacken und drückte die Stirn des Monts gegen sein Gesicht. Dann standen Trevanion und sein Sohn nebeneinander und sahen dabei zu, wie Lucian den Körper seines Vaters vorsichtig hochhob und davontrug.
„Kommst du mit mir zum Fluss?“, fragte Trevanion. Die meisten Monts waren schon fort, abgesehen von denen, die sich um die Verwundeten kümmerten.
Finnikin nickte gleichgültig. Wie betäubt folgte er seinem Vater. Im Morgenlicht waren wie aus dem Nichts die Dorfbewohner erschienen. Es war unheimlich, so viele Gesichter zu sehen und kein einziges Geräusch zu hören. Sie sahen anders aus als die Flüchtlinge. Nicht besser oder schlechter, und auch ihre Seelen waren beschädigt. Finnikin wünschte inbrünstig jenes Heimatgefühl herbei, nach dem er sich immer gesehnt hatte. Die Lumaterer waren eng mit ihrem Land verbunden, doch jetzt fürchtete er, dass er hier
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