Winterlicht
sich in seinen Körper bohren und dem Elend ein Ende setzen würde. Doch jedes Mal spürte er Trevanion an seiner Seite. „Bleib bei mir, Finn! Ich will heute nicht auch noch meinen Sohn begraben.“
Sie hatten immer gewusst, dass es auch in ihren Reihen Verluste geben würde, und als die Nacht hereinbrach, sah Finnikin Saro von den Monts in ein Schwert fallen, das ihm die Kehle aufschlitzte.
Lucian hielt zum ersten Mal seit Stunden mitten im Kampf inne, sein Gesicht war gezeichnet von Schmerz.
„Fa! Fa!“
Der Mont stolperte von seinem Gegner fort und Finnikin beobachtete voller Entsetzen, wie der Soldat des Thronräubers die Waffe hob.
Finnikin warf seinen Dolch und traf den Mann direkt zwischen den Augen. „Lucian! Lucian! Du musst dich schützen!“
Dann rannte Finnikin mit seinem Bogen auf Lucian zu. Zielen, schießen, rennen. Zielen, schießen, rennen. Doch der Mont hatte nur ein Ziel: Saro zu erreichen. Er ließ sich neben seinen Vater fallen und zog ihn in die Arme. Sein heiserer Schrei vereinte sich mit dem Klirren von Stahl. Dann hörte Finnikin keinen Laut mehr von Lucian, in dessen Augen nur noch die Trauer stand. Und gerade an diesem Tag, an dem Finnikin geglaubt hatte, er könnte nichts mehr fühlen, war ihm plötzlich, als müsste sein Herz breche n – in dem Moment, da er sich über Lucian warf, um ihm Deckung zu geben.
Als er aufsah, erblickte Finnikin den Engel des Todes mit erhobener Axt über sich. Er wusste, dass er sterben würde. Die gezackte Klinge würde seinen Kopf wie eine Wassermelone spalten. Und in diesen Sekunden vor dem unentrinnbaren Tod blickte er zu seinem Vater hinüber, der weniger als zehn Schritte von ihm entfernt kämpfte. Er wollte seine letzten Gedanken diesem Mann widmen. Und ihr.
Doch die Axt und mit ihr die Hand, die sie hielt, flogen plötzlich durch die Luft und der Körper des Feindes schlug direkt vor ihm auf dem Boden auf. Finnikin starrte in das Gesicht eines Flüchtlings aus Lastaria. Der Mann reichte ihm die Hand und zog ihn hoch. Dann verschwand er.
Sofort drehte sich Finnikin wieder zu Lucian um und beschützte ihn. Er schoss auf jeden, der es wagte, die Trauer des Monts zu stören.
Später sprachen die in Lumatere Zurückgebliebenen von einem Akt blinder Vergeltung. Als hätte der Thronräuber ihre Welt in Brand gesetzt, weil er geahnt hatte, dass Lumatere bald zurückerobert werden würde.
Die Bewohner des Tieflands und des Flusslands versteckten sich beim Bergvolk und mussten mit ansehen, wie ihr Land in Schutt und Asche gelegt wurde. Von den Bergen aus beobachteten sie, wie ihre verloren geglaubten Verwandten das Tor passierten und den Thronräuber und seine Männer auf dem Weg, der zum Palast hinaufführte, niedermetzelten.
Einige glaubten, dies sei das Ende aller Tage. Deshalb wollten sie auf den höchsten Gipfel klettern, um sich in den Tod zu stürzen. Aber es gab noch ein Fünkchen Hoffnung und das hielt sie davon ab. Und diese Hoffnung gründete sich auf das Wort, das in den Arm des traumwandelnden Kindes eingeritzt worden war. Danach würde Finnikin von den Felsen mit der Königin zurückkehren.
Kapitel 26
A ls es fast vorbei war und Trevanion in das Gesicht des Thronräubers starrte, fragte er sich, wie dieser erbärmliche Mensch es geschafft hatte, so große Verzweiflung in ihrer aller Leben zu bringen. Er hatte die Anweisung, den Thronräuber und neun seiner Männer am Leben zu lassen, doch er musste stark gegen das Verlangen ankämpfen, sein Schwert in das Herz des Mannes zu stoßen.
„Trevanion“, sagte Finnikin leise, während einer der Gardisten die gefesselten und geknebelten Gefangenen auf einen Wagen warf. Trevanion wusste, dass es jedem Mitglied seiner Garde unter den Nägeln brannte, diesen Bastarden den Garaus zu machen.
„Mach dir keine Sorgen, Finn. Man wird sie am Leben lassen“, sagte der Hauptmann in nüchternem Ton. „Vielleicht nur nicht in einem Stück.“
Als er zum Palastdorf zurückkehrte, waren die Toten und die Sterbenden bereits zum Hauptplatz gebracht worden. Dorfbewohner kümmerten sich um die Verwundeten und Trevanion vermutete, dass sie schon in der Nacht ihre Hütten verlassen hatten, als die Schlacht am schrecklichsten getobt hatte. Jetzt war alles still, nur das Stöhnen der Sterbenden war zu hören. Es war weder die Zeit noch der Ort für Siegesfreude oder ein Jubelfest.
„Hauptmann, du bist verwundet“, sagte Froi. Er folgte Trevanion, der sich einen Weg zu Perri bahnte.
„Wie viele
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