Winterlicht
mehr die Frau bin, die er einst geliebt hat.“
„Einige Dinge ändern sich nie, Lady Beatriss. Könnt Ihr Euch vorstellen, ihn jemals wieder zu lieben?“
„Oh, Finnikin“, sagte sie tieftraurig. „Wie könnte einer von uns jemals wieder wahrhaft lieben, nach allem, was passiert ist?“
Wenig später war Finnikin mit seinem Mentor wieder auf dem Weg zum Palast.
„Hat sie geredet?“, fragte Sir Topher.
Finnikin sah ihn überrascht an. „Ihr seid gegangen, weil Ihr glaubtet, sie würde reden?“
„Nein, ich wollte wirklich meinen Freund aus Kindertagen sehen“, sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen. „Doch ich war mir sicher, dass sie jemanden zum Reden brauchte. Schon vor Jahren habe ich herausgefunden, dass die Menschen dir Dinge anvertrauen, die sie sonst niemandem anvertrauen würden.“
„Ist das nicht ein günstiges Talent für einen Lehrburschen des Obersten Ratgebers?“, fragte Finnikin.
„Das geht weit über die Fähigkeiten eines Lehrburschen hinaus“, sagte Sir Topher feierlich. „Und über die des königlichen Ratgebers.“ Er seufzte und sah sich um. „Wo treibt sich nur dieser Junge herum?“
„Froi? Wer weiß. Wenn er das Reich verlassen hat, möchte nicht ich es sein, der es der Königin melden muss. Ich habe Sefton und die Dorfjungen ausgeschickt, um ihn zu suchen.“
Sie hörten hinter sich das Stampfen von Pferdehufen und kurz darauf erschienen Trevanion und Moss.
„Irgendetwas stimmt nicht“, murmelte Finnikin. Sein Herz hämmerte in der Brust. Trevanion und Moss hielten mit düsteren Mienen neben ihnen an.
„Isaboe?“, fragte Finnikin.
Trevanion schüttelte den Kopf und Finnikin spürte den unterdrückten Zorn seines Vaters. „Der Thronräuber und seine Männer“, sagte Trevanion. „Sie sind tot.“
Kapitel 28
V ergiftet?“
Trevanion, Finnikin, Sir Topher und Moss liefen durch die Gänge des Kerkers und bedeckten ihre Nasen und Münder mit Tüchern. Der Thronräuber und seine Männer hatten offenbar einen langen, qualvollen Tod erlitten. Einer von ihnen hatte sogar seinen Kopf gegen die Kerkerwand geschlagen, um den Schmerzen ein Ende zu bereiten.
„Wie?“, fragte Trevanion wütend.
„Wir wissen es nicht“, antwortete die Gefängniswache leise. „Aber wir haben den Bäcker eingesperrt, der heute Morgen das Brot für die Gefangenen geliefert hat.“
„Hat er gestanden?“
Der Wachmann schüttelte den Kopf.
„Das kann nur jemand gewesen sein, der sich mit Gift auskennt. Deshalb hoffe ich, dass die Königin inzwischen aus Tesadoras Kloster herausgeholt worden ist“, sagte Finnikin.
„Perri ist schon unterwegs“, antwortete Trevanion. „Er wird die Königin bei den Monts unterbringen, bis sie bereit ist, in den Palast zurückzukehren.“
„Wir müssen diese Angelegenheit mit Sorgfalt behandeln“, sagte Sir Topher. „Wir dürfen nicht riskieren, dass sich die Vergangenheit wiederholt, wenn der Vorfall den Anhängern der Sagrami zu Ohren kommt.“
„Einverstanden“, sagte Trevanion. „Doch wenn Tesadora für den Giftanschlag verantwortlich ist, muss sie festgenommen werden.“
„Ihr wollt damit hoffentlich nicht sagen, dass sie gemeinsame Sache mit den Charyniten mache und den Thronräuber auf diese Weise am Reden hindern wolle?“, fragte Sir Topher.
„Wir dürfen kein Risiko eingehen.“
Der Ritt zum Kloster an der nordwestlichen Spitze des Königreichs dauerte fast einen ganzen Tag. Auf ihrem Weg kamen sie an dem blühenden Kirschbaum vorbei, der zum Gedenken an das jüngste Kind der Königin, Isaboe, gepflanzt worden war. Das Kloster, in dem Perri Tesadora und die Novizinnen vor all den Jahren versteckt hatte, war einer der ältesten Tempel des Landes. Das Gebäude war von Wald umgeben, in dem nun Trevanions Männer postiert waren.
Den Eingang des Klosters erreichte man über einen versteckten Pfad, der in ringförmige Gärten führte, wo die Novizinnen arbeiteten und meditierten. Die Gärten waren von den Gebäuden des Wohnbereichs umschlossen. Tesadora stand am Eingang und starrte den Männern reglos entgegen. Licht fiel durch den bogenförmigen Durchgang und ließ sie mit ihrem weißen Haar und dem schönen Gesicht beinahe geisterhaft erscheinen. Finnikin fragte sich, wie die kleine Frau es damals geschafft hatte, Lady Beatriss, die um einiges größer war als sie selbst, aus dem Kerker zu schleppen.
„Es scheint viele reizbare Männer in der Gegend zu geben, Hauptmann“, sagte Tesadora zur Begrüßung. „Sie
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