Winterlicht
Fähigkeiten.“
„Und du erwartest, dass ich dir glaube, dies sei der Grund für euren Besuch? Wieso muss ich dann eure Fragen in einem Verhörraum beantworten?“
„Niemand hat Euch festgenommen und dieser Ort ist ein Tempel“, mischte sich Sir Topher ein.
„Dennoch hält Euer Hauptmann sein Schwert griffbereit.“
„Bevor Ihr uns nicht darüber aufklärt, was an diesem Morgen im Palast geschehen ist, wird der Bäcker wegen Mordes angeklagt!“, donnerte Trevanion.
Sie gab keine Antwort.
„Er wird für etwas büßen, was Ihr geplant habt, Tesadora.“
„Und Beatriss büßte für etwas, was Ihr getan habt, nicht wahr, Trevanion? Der Hauptmann der Königlichen Garde wollte einfach nicht vor dem Thronräuber niederknien. Aber bei unserer Göttin“, fluchte Tesadora, „die Feinde haben dafür gesorgt, dass seine Geliebte vor ihnen kniete. Und dass sie es immer wieder tat! Sie zerrten sie Nacht für Nacht an den Haaren aus ihrem Haus. Einst war sie die am meisten beneidete Frau in Lumatere, weil der Hauptmann der Königlichen Garde sie liebte. Doch niemand beneidete sie während der Jahre der Gefangenschaft. Sie diente als Mittel der Abschreckung für das Volk. Als sie entdeckt hatten, dass sie noch am Leben war, und sie wieder eingesperrt hatten, beschloss der Thronräuber, sie am Leben zu lassen. Denn er hatte eine bessere Verwendung für die ehemalige Geliebte Trevanions gefunden. ‚Seht diese Frau‘, verspottete er sie, wenn seine Henker ihren gebrochenen und geschundenen Körper wieder und wieder auf den Platz schleiften, ‚das passiert mit euren Angehörigen, wenn ihr es wagt, den König herauszufordern.‘“
Der Hauptmann stürmte aus dem Tempel. Finnikin konnte sich nicht vorstellen, welche Bilder seinem Vater gerade durch den Kopf gegangen sein mussten. Ihm waren Geschichten über Beatriss’ Schicksal zu Ohren gekommen, doch er hatte törichterweise gehofft, dass Trevanion nie etwas davon erfahren würde.
Sir Topher starrte Tesadora an. „Ich habe eine bessere Geschichte für Euch“, fuhr er sie an. „Die Geschichte, in der der Hauptmann spürte, was zwischen ihm und dem Thronräuber geschehen würde. Deshalb sandte er eine Botschaft an seinen treuen Freund Perri den Wilden und bat ihn, Lady Beatriss aus ihrem Gutshaus in das Tal der Stille zu bringen, wo Lord Augustin und Lady Abian Zuflucht gefunden hatten. Bei ihnen, so hoffte er, würde sie sicher sein. Doch Perri war an diesem Tag unauffindbar und erhielt die Botschaft nie. Ihr müsst wissen, dass Perri auf dem Weg war, jemand anderen zu warnen. Jemanden, der viele Jahre Unrecht durch seine Familie erlitten hatte. Jemanden, den er vor dem Tod bewahren wollte. Ich habe die traurige Geschichte von Perri selbst gehört. Nach all den Jahren ist er noch immer gramerfüllt, weil er seinen Hauptmann enttäuscht hat. Stellt Euch vor, Tesadora, Perri hätte Trevanions Botschaft erhalten! Stellt Euch das Leben vor, das Beatriss mit Lord Augustin und seiner Familie in Belegonia hätte führen können.“
Tesadora verzog verbittert den Mund. Doch sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen kamen.
„Dennoch hat Perri niemals bereut, dass er Euch und Eure Novizinnen der Sagrami damals in Sicherheit gebracht hat. Und ich hätte niemals für möglich gehalten, dass er oder Trevanion es bedauern könnten. Bis heute.“
Finnikin machte sich auf die Suche nach seinem Vater. Er fand ihn vornübergebeugt, mit einer Hand stützte er sich an einem Baum ab. Als Trevanion sich umdrehte, wischte er den Mund mit dem Ärmel ab, sein Gesicht war aschfahl. Sir Topher stand am Eingang des Klosters und sie liefen schweigend zu ihm zurück.
„Heute gibt es hier nichts mehr für uns zu tun“, sagte Sir Topher.
Tesadora erschien hinter ihm. Ihre Miene wirkte noch immer versteinert, doch ihre Augen hatten einen milderen Ausdruck angenommen.
„Es begann mit Beatriss’ erstem Kind“, sagte sie. „Eurem Kind, Trevanion. Meine Mutter ging mit dem Blut von der Geburt des Kindes an den Händen zu ihrer Richtstätte. Wir glauben, dass die Kraft dieses Blutes, vermischt mit dem Blut Balthasars und Isaboes, die dunkle Magie des Fluches schwächte und ihm eine helle Seite gab.“
Trevanion schwieg.
„Weil die Königskinder und der Säugling unschuldig waren?“, fragte Sir Topher.
„Nein“, antwortete sie, und Finnikin wich zurück, als ihr Blick ihn traf. Abgesehen von ihrem weißen Haar und ihrer dunklen Seele war sie wahrscheinlich die schönste
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