Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
Vom Netzwerk:
ihnen auf deinen Reisen wiederbegegnet? Meine Schwester ist mit dem dortigen Schuhmacher verheiratet.“
    „An den erinnere ich mich noch sehr gut“, sagte Finnikin lächelnd. „Wir sind nur wenigen aus den Felsendörfern begegnet. Wir haben die Vermutung, dass die meisten zu Hause geblieben sind, wie es ihre Ältesten befohlen hatten. Ich glaube nicht, dass viele von ihnen das Königreich verlassen haben, ausgenommen vielleicht jene, die an dem unseligen Tag auf dem großen Platz waren.“
    „Wer könnte sagen, ob das ein Fluch oder ein Segen für sie ist“, sagte Emmian leise.
    Cibrian führte sie zu den anderen und Finnikin begrüßte kopfnickend eine Gruppe von Flüchtlingen in seinem Alter. Unwillkürlich musste er an Balthasar und Lucian denken, und er stellte sich vor, was für Riesenkerle sie inzwischen sein mussten.
    Es begann leicht zu nieseln und sie folgten Cibrian in seine Behausung. Die Leute waren gut ausgerüstet. Ihre Zelte waren aus robustem Pferdeleder, sie besaßen umfangreiche Nahrungsvorräte, sogar ein paar Ziegen. Finnikin vermutete, dass einige von ihnen im nahe gelegenen Dorf Arbeit gefunden hatten. Die Kinder machten einen gesünderen Eindruck als die in den anderen Lagern, und er fragte sich, ob wohl ein Heiler bei ihnen lebte.
    „In diesem Frühling hat uns Lord Augustin aus dem Tiefland seine Gunst geschenkt. Ihr kennt ihn, wie ich gehört habe“, sagte Cibrian zu Sir Topher. „Er bat uns, nach dem Sohn Trevanions und dem Obersten Ratgeber des Königs Ausschau zu halten.“
    Sir Topher und Finnikin sahen einander an. „Wie kommt es, dass Lord Augustin nach Charyn reist, wo er doch zum Hof von Belegonia gehört?“, fragte Sir Topher.
    „Palastangelegenheiten. Er war auf dem Heimweg, als er uns besuchte. Er möchte, dass Ihr in die Hauptstadt Belegonias kommt, wenn Ihr in dieser Gegend seid.“
    „Wir wollen nach Sorel“, sagte Sir Topher.
    „Es war seine ausdrückliche Bitte, Herr.“
    Emmian und Cibrian besaßen ein geräumiges Zelt. Zwei Kinder, höchstens acht und zehn Jahre alt, lümmelten in einer Ecke, stürmten aber sogleich auf die Eltern zu. Finnikin beobachtete, wie Emmian sie an sich drückte und ihnen über die Arme streichelte: Diese Kinder wurden geliebt. Er sah hinüber zu dem Dieb von Sarnak, der hasserfüllt neben der Novizin saß, und verglich ihn unwillkürlich mit diesen glücklichen Kindern.
    Das kleine Mädchen blickte Finnikin mit großen Augen an. „Kannst du uns die Geschichte von Lady Beatriss und dem Hauptmann Trevanion erzählen?“, bat sie.
    Die Erwachsenen erstarrten, in ihren Mienen spiegelten sich Besorgnis und Schuldgefühle. Finnikin wusste noch, wie gerne die Menschen in Lumatere Liebesgeschichten hörten. Als Kind hatte er immer wieder die Geschichte vom jungen König gehört, der über die Berge ritt und das wilde Mädchen von Mont traf, das sofort sein Herz gefangen nahm. Er hatte nicht geahnt, dass die Geschichte von Beatriss und Trevanion das gleiche Interesse bei kleinen Zuhörern wecken würde.
    „Unsere Gäste sind müde, Jenna. Sie haben keine Zeit für Geschichten“, wehrte ihr Vater ab.
    Finnikin bemerkte, dass alle anwesenden Erwachsenen wegschauten oder sich mit irgendeiner nebensächlichen Tätigkeit beschäftigten. So als hätte das Kind die Bitte niemals ausgesprochen. Sogar Sir Topher blickte angestrengt zum anderen Ufer hinüber. Mit einem Mal verspürte Finnikin Sehnsucht nach seinem Vater, ein Luxus, den er sich selten erlaubte.
    Nur Evanjalin blickte ihn unverwandt an. In ihren Augen stand eine Frage.
    Er räusperte sich. „Es war eine leidenschaftliche Liebe“, sagte er schroff. „Eine sehr leidenschaftliche.“
    Die Wangen des kleinen Mädchens röteten sich vor Freude, doch der Junge ließ enttäuscht die Schultern sinken. Genauso war es Finnikin ergangen, als er still sitzen und zuhören musste, wie seine Großtante Celestina in allen Einzelheiten die feierlichen Versprechen wiedergab, die der König dem Mädchen von Mont gemacht hatte. Finnikin hätte viel lieber mehr über die Turniere und Fechtwettkämpfe erfahren, die die Königliche Garde bei der Hochzeit aufgeführt hatte.
    „Aber ich muss weiter ausholen, wenn du gestattest“, sagte er zu dem Jungen. „Ich muss mit jener Zeit beginnen, in der Trevanion aus dem Flussland sein Volk mit einem mächtigen Schwert und vierzig ausgewählten Männern verteidigte.“
    Evanjalin biss sich auf die Lippe, um ein Lachen zu unterdrücken, und auch Finnikin musste

Weitere Kostenlose Bücher