Winterlicht
Finnikin wie aus der Pistole geschossen. „Eine solche Nachricht haben wir Euch gegeben. Was können wir als Gegenleistung dafür mitnehmen? Eine Unterredung mit Eurem König vielleicht?“
Lord Augustin wurde blass vor Zorn. Er packte Finnikin grob am Ärmel. „Mein König ist tot“, stieß er hervor. „Der König von Belegonia hat mich in seinen Dienst genommen. Verwechselt das eine nicht mit dem anderen.“
Das Mädchen zog Lord Augustins Hand von Finnikin weg. „Wenn wir nach Lumatere zurückkehren, würdet Ihr all das zurücklassen?“, fragte sie. „Die Sicherheit, in der Ihr lebt. Eure Vorrechte. Ihr würdet sie aufgeben für ein Königreich, das jeden Augenblick dem Erdboden gleichgemacht werden könnte? Nehmen wir an, Eure Ländereien gäbe es nicht mehr, Mylord. Vielleicht bewirtschaftet sie ein anderer, der glaubt, er hätte jetzt das Recht dazu. Wärt Ihr auch dann noch so begierig darauf, nach Lumatere zurückzukehren?“
Lord Augustin starrte die beiden jungen Menschen, die vor ihm standen, an. „Wenn uns Balthasar und sein Oberster Ratgeber anführen würden?“, fragte er. „Wenn uns die Königliche Garde beschützen würde? Mit dem Segen des Priesterkönigs? Sagt, dass es so ist, und ich werde mich auf die Knie werfen und als Erster die Äcker in Lumatere bestellen.“
Weder Finnikin noch Evanjalin sprachen ein Wort, bis sie draußen vor der Tür standen. Finnikin packte sie am Arm. „Erkläre mir dein Schweigegelübde”, forderte er sie in der Sprache Lumateres auf.
Sie legte den Finger auf die Lippen. „Sir Topher würde zornig werden, wenn er wüsste, dass du vor allen Leuten deine Muttersprache sprichst“, erwiderte sie leise. Dabei sprach sie Belegonisch, was ihn noch mehr überraschte.
Als sie zu Sir Topher zurückkehrten, war der Dieb von Sarnak an einem Baum festgebunden. Der Junge schleuderte ihnen eine Flut von Flüchen entgegen. Er spuckte aus, seine Augen waren hasserfüllt. Noch immer wütend trat Finnikin zu ihm hin und zerrte ihn an den Haaren.
„Im Gegensatz zu deiner Mutter hat sich meine Mutter nie für Geld verkauft“, antwortete er auf die erste Beleidigung und schlug den Jungen mit dem Kopf gegen den Baumstamm. „Und“, er schlug den Kopf zum zweiten Mal gegen den Baum, „obwohl ich diesen Teil des weiblichen Körpers kenne, verbitte ich es mir, nach ihm benannt zu werden.“
„Aus deiner Stimmung schließe ich, dass deine Mission nicht nach Wunsch verlaufen ist“, sagte Sir Topher vom Feuerplatz aus.
Finnikin ging zu ihm. „Sie hat gesprochen.“
„Evanjalin?“ Sir Topher sprang auf. „Was hat sie gesagt?“
„Sie hat in Gegenwart Lord Augustins gesprochen. Und später hat sie zu mir Belegonisch geredet.“
Sir Topher sah zu Evanjalin hinüber, die gerade ihr Essen zubereitete. „Finnikin, was hat sie dir gesagt?“, fragte er eindringlich.
„Was Ihr immer von dem Thronräuber vermutet habt.“
Sir Topher wurde blass. „Dass er eine Marionette der Charyniten ist?“
Finnikin nickte.
„Und Lord Augustin?“
„Er will es dem König von Belegonia vortragen, aber nur, wenn wir mit der Garde meines Vaters nach Lumatere zurückkehren. Und natürlich hat er auch von Balthasar gesprochen.“
„Die Empathen“, sagte Sir Topher, wobei er die Novizin, die gerade einen Fasan rupfte, nicht aus den Augen ließ. „Die Empathen ahnen etwas.“
„Ich dachte, sie wurden alle umgebracht.“
„Nein, nur jene, die zu den Waldleuten gehörten. Aber es muss auch anderswo Menschen mit dieser Fähigkeit geben, besonders unter den Bewohnern des Tieflands und der Berge. Ich glaube, das ist auch der Grund dafür, dass Saro aus den Bergen und seine Leute sich so gut verstecken können.“
Sir Topher ging zu dem Mädchen, das auf dem Boden saß. Federn klebten an ihren Fingern und an ihrem Hemd.
„Welche Sprache ist dir am liebsten?“, fragte Finnikin laut. „Du sprichst anscheinend viele.“
Die Novizin stand auf, ihre Blicke glitten zwischen Finnikin und Sir Topher hin und her. „Ich spreche nur die Sprache, die auch meine Eltern gesprochen haben, dazu Belegonisch“, sagte sie leise in belegonischer Sprache. „Und ein wenig die Sprache von Sarnak.“
Sir Topher holte tief Luft. „Möchtest du uns noch etwas mitteilen, Evanjalin?“
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Unterlippe begann zu zittern.
„Du musst dich nicht fürchten“, fuhr Sir Topher freundlich fort. „Von wem hast du gehört, was die Charyniten mit Belegonia vorhaben?“
Sie
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