Winterliebe: eine Anthologie aus fünf sinnlich-romantischen, humorvollen und homoerotischen Love Storys (German Edition)
jedoch nur den Hund zurück ins Haus und öffnete ihr die Tür weit.
„Biene ist alt und taub, aber friedlich“, stellte sie den braunen Hund vor, der schwanzwedelnd vor ihnen durch den Flur trabte.
Ihr Gespräch kam mühsam in Gang, eine gewisse Spannung lag in der Luft. Beide Frauen lächelten sich häufig an, wussten jedoch nicht recht, wie sie einander ansehen sollten. Schließlich bot Lily an, Aischa das Haus zu zeigen. Staunend sah diese sich um, ließ sich von Lily erklären, wie sie das alte Gebäude größtenteils selbst renoviert hatte. Alles wirkte ein wenig alt, jedoch nicht heruntergekommen. Lehmputz an den Wänden strahlte rustikale Gemütlichkeit aus und Aischa blieb bewundernd vor Lilys Bildern, die im Wohnzimmer hingen, stehen. Vornehmlich Landschaftsbilder, zarte Tuschezeichnungen, die Stimmung mit wenigen Strichen eingefangen. Nur eins zeigte ein kleines Mädchen inmitten von Aquarellblumen.
„Meine Tochter.“ Lily war neben Aischa getreten, dicht, ganz dicht, sodass sich ihre Schultern berührten. Aischa spürte sie beben, vernahm ihr leises Seufzen. „Ihr Name war Angelina.“
Bestürzt wandte Aischa den Kopf, kam Lily ganz nahe. Diese sah sie direkt an. Lilys Duft umhüllte sie, zog sie magisch an. Sie wollte ihre Nase in die sanfte Beuge ihres Halses drücken, die weiche Haut mit den Lippen liebkosen, den Duft direkt von der Haut aufnehmen. Sie wagte es nur nicht.
Feuchtigkeit glitzerte in Lilys Augen und sie seufzte erneut, ohne allerdings zurückzuweichen.
„Sie starb mit meinem Mann bei einem Autounfall vor drei Jahren“, erklärte sie mit gesenkter Stimme.
Betroffen legte Aischa den Arm spontan um sie. „Das tut mir leid.“
Lily lächelte traurig. „Oh nein, es war gut, dass es passiert ist.“ Sie drehte sich ein wenig. „Verstehe mich nicht falsch, ich habe sie geliebt, ja wirklich, aber ich war dem nicht gewachsen. Ich sollte trauern, um ihn, doch alles, was ich danach verspürte, war das Bedauern, meine Tochter nicht wieder lachen zu sehen.“ Sie drückte sich kaum merklich dichter an Aischa. „Und ein Gefühl von … Freiheit.“
Aischa schüttelte bestürzt den Kopf und Lily wich zurück, befreite sich aus ihrer Umarmung.
„Ich weiß, dass sie mich dafür verurteilt haben. Meine Freunde, allen voran meine Eltern. Aber für mich war es wie ein Zeichen, die Chance, aus allem auszubrechen, raus aus jenem Leben, welches sie für mich vorgesehen und geplant hatten.“ Lily nahm in einem Sessel Platz und sah zu Aischa hoch. Sie wirkte zerbrechlich, wie sie ihre Haare zurückstrich und den Blick zu Boden senkte. „Ich habe ihn nicht wirklich geliebt“, erklärte sie mit leiser Stimme. „Als Angelina geboren wurde, war es wie eine zusätzliche Last. Ich liebte sie, dennoch band sie mich mit ihrer Existenz an ihn und an mein Leben. Ich vermisse sie. Ihre Hände, die mich berührten, ihr Lächeln, ihre Stimme, wie ihre Haare im Sonnenlicht glänzten. Oh, ich vermisse sie ...“ Sie hob den Blick, ein Hauch Verzweiflung spiegelte sich in ihren Zügen wieder. Entfernt glitzerten Tränen darin.
„Mein eigentlicher Name ist nicht Lily“, gab sie leise zu. „Ich wurde geboren als Elisabeth Lydia Gräfin von der Erlweide.“
Sie lachte humorlos auf, ein Laut, der Aischa durch und durch ging, und sie hockte sich neben den Sessel und griff nach ihrer Hand. Die schlanken Finger lagen warm in ihrer Hand, stark und trotzdem fragil.
„Ein altes Adelsgeschlecht. Meine Eltern hängen an ihren Familientraditionen, sind stolz auf unseren Stammbaum. Ich wurde erzogen, wie es einer Gräfin zustand. Man suchte mir meinen Mann aus und es wurde erwartet, dass ich ihn widerspruchslos heirate, Kinder habe und ein Leben der Konventionen lebe. Ich habe mich gefügt, wagte nie auszubrechen. Nur in meinen Träumen, da war ich ein anderer Mensch, da tauschte ich die Rollen, da war ich nur das einfache Mädchen.
Oft habe ich daran gedacht, zu fliehen, aus dieser Welt zu verschwinden. Ich habe wilde Pläne geschmiedet. Bis Angelina geboren wurde. Da gab es kein Zurück mehr. Ich war gefangen. In meiner Liebe zu ihr gefangen, die mich alles ertragen ließ.“
Sie wandte den Blick ab und strich sich über die Augen. Wenn sie weinte, verbarg sie es geschickt, trotzdem zog sich Aischas Herz schmerzhaft zusammen.
„Als ich die Nachricht von dem Unfall bekam, habe ich weiter funktioniert, wie man es von mir erwartet hat. Doch ich hatte keine Tränen, die ich weinen konnte, da war nichts. Ich
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