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Winterliebe: eine Anthologie aus fünf sinnlich-romantischen, humorvollen und homoerotischen Love Storys (German Edition)

Winterliebe: eine Anthologie aus fünf sinnlich-romantischen, humorvollen und homoerotischen Love Storys (German Edition)

Titel: Winterliebe: eine Anthologie aus fünf sinnlich-romantischen, humorvollen und homoerotischen Love Storys (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls , Karo Stein , Raik Thorstad , Nico Morleen , Isabel Shtar
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darauf. Das Auge auf diesem Stein war etwas anders, dennoch klar erkennbar. Und Lily trug diesen Stein ebenfalls an der Brust.
    „Diesen Steinen wohnt eine besondere Magie inne“, erklärte Lily ernsthaft. „Sie erschließt sich mir nicht vollständig, aber ich vertraue ihr. Der Stein hat dich ausgesucht. Hast du denn den Halt gefunden, den du suchst?“
    Verwirrt musterte Aischa sie. Dieses Gespräch verlief ganz anders, als sie sich das ausgemalt hatte.
     „Ich … weiß nicht“, gab sie daher zu, spürte Lilys forschenden Blick auf sich ruhen und fühlte sich unbehaglich. „Ich glaube … noch nicht.“
    „Dein Freund war es nicht?“ Lilys Frage rührte in der alten Wunde. Aischa hob das Kinn, blickte sie geradeaus an und schüttelte den Kopf. Sich keine Gefühle anmerken zu lassen war etwas, was sie viel trainiert hatte. Wer schwach daher kam, wurde auch so behandelt und eine Frau hatte es immer schwerer, das hatte sie hart lernen müssen.
    „Nein. Er … war es nicht“, ergänzte sie dennoch.
    Lily nickte erneut wissend, und trainierte Reflexe oder etwas anderes, was Aischa ihren Alltag in der Firma meistern ließ, rebellierte dagegen.
     „Ich habe einen sehr guten Job“, meinte sie, „verdiene gut, habe eine schöne Wohnung in Hamburg und bin sehr zufrieden. Ab und an ein wenig weniger Stress wäre gut.“
     Sie lächelte, spürte überrascht, wie schwer es ihr fiel. Lily schien viel zu genau hinter ihre berufsmäßige Fassade schauen zu können, dabei kannten sie sich nicht wirklich, waren sich nur einmal begegnet. Aischa war ja wirklich mit ihrem Leben soweit zufrieden. Wie könnte sie es auch nicht sein? Erfolg, ein gutes Gehalt, weitere Aufstiegschancen; viele würden ihr ihren Status neiden. Da war nur diese leise, nagende Sehnsucht in ihr, die sie als dumm abtat, verdrängte, die jedoch hartnäckig blieb und von einem anderen, ruhigen Leben träumte. Einem Leben ohne den täglichen Kampf, ohne jedes Wort, jede Geste, jede Handlung überdenken zu müssen. Schwäche durfte sie nie zeigen und nachlassen auch nicht. Sie war gut, sie wusste es. Warum sollte sie das alles aufgeben wollen? Das war nicht vernünftig. Die Sehnsucht blieb.
    „Das klingt nicht schlecht“, antwortete Lily und machte eine Geste, die ihren Stand einschloss. „Ich verkaufe Steinschmuck, lebe in einem kleinen Häuschen auf dem Lande mit Schafen und ein paar Hühnern.“ Ihre rotbraunen Augen leuchteten. „Mein Leben gefällt mir auch.“
    „Das klingt sehr idyllisch.“ Aischa meinte es so und empfand jene Sehnsucht wie einen  flüchtigen Anfall. Es passte zu Lily. Genau so hatte sich Aischa ausgemalt, dass sie leben würde. Vermutlich war ihre Sehnsucht darin begründet. Ja, das war es vermutlich.
    „Ein ruhiger Ort zum Arbeiten und Leben“, fuhr Lily fort. „Wenn du mal Ruhe brauchst, bist du herzlich eingeladen, mich zu besuchen.“
    Aischa zog überrascht die Augenbrauen hoch.
    „Aber du … wir kennen uns doch gar nicht“, wandte sie ein. „Ich ...“
    „Du hast mich gesucht ...“, erklärte Lily, „... und gefunden. Wenn du mehr wissen möchtest, besuche mich einfach.“ Aus ihrer Weste nahm sie einen zerknitterten Zettel. Man sah ihm an, dass er vielfach gefaltet und glattgestrichen worden war. „Hier ist meine Adresse. Wenn du deinen Stress hinter dir lassen möchtest.“
    Sie wandte sich neuen Kunden zu, die unbemerkt von Aischa an den Stand getreten waren. Verwirrt betrachtete diese den Zettel. Der Ortsname sagte ihr nichts, wohl ein Dorf irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Begegnung lief völlig unerwartet ab. Lily schien sie wirklich erwartet zu haben und es war nicht schwer zu erraten, dass dieser Zettel schon länger in ihrer Westentasche auf sie gewartet hatte.
    Aischa musterte sie verstohlen. Die Sicherheit, mit der sie auftrat, verwirrte sie. Es sollte nicht selbstverständlich sein, dass sie sie nach zwei Jahren wiedererkannte. Aischa fragte sich unwillkürlich, was Lily noch wusste, wie viel sie erahnte. Immerhin schien da zwischen ihnen mehr zu bestehen als eine flüchtige Bekanntschaft. Ein Gedanke, der Aischa warm durchfloss.
    Während Lily ihren Kunden zwei wunderschöne Steinanhänger verkaufte, folgte Aischa ihren Bewegungen, nahm jedes Lächeln, jede Reaktion in ihrem Gesicht wahr. Eine selbstbewusste Frau, zielgerichtet, stolz auf ihre Werke, deren Freundlichkeit nicht gespielt, sondern ehrlich war, erkannte Aischa. Eine Frau, die dennoch verletzlich wirkte, etwas in sich

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