Winterliebe: eine Anthologie aus fünf sinnlich-romantischen, humorvollen und homoerotischen Love Storys (German Edition)
Die Socken auch nicht. Und meine Hose erst recht nicht!
Unter anderen Umständen hätte ich in diesem Augenblick aufrecht im Bett gesessen. Heute reicht es lediglich für ein erschrockenes Blinzeln, das einem Uhu zur Ehre gereicht hätte.
Ich versuche, mich zu orientieren.
Ehrlich, besser wird es durch eine Inspektion des Zimmers nicht. Mein Schlafzimmer ist ein Schlachtfeld, das vom Stress der letzten Wochen zeugt. Ich möchte nicht wissen, wie viele Wollmausfamilien sich unter dem Bett tummeln und die Invasion meiner restlichen Wohnung planen.
Ich bin nicht auf Besuch eingerichtet. Einen Gast habe ich dennoch.
Dirk ist nicht nur geblieben, er sitzt neben mir auf dem Bett. Er lehnt an der Kopfplatte und liest in einem meiner Bücher. Seine Füße hat er neben mir unter die Decke geschoben. Wenn ich ein wenig rücke, müsste ich sie spüren können.
Schnell schließe ich die Augen. Wie lange habe ich geschlafen? Warum ist er noch hier? Was soll ich sagen? Gar nichts, ich sage gar nichts. Ich tue so, als wäre ich nie aufgewacht. Hervorragende Lösung.
Oh mein Gott. Dirk auf meinem Bett. Mit seinen langen Sportlerbeinen. Er sitzt mit dem Hintern auf meinem Kopfkissen , verdammt noch mal. Kann man ein Kissen heiligsprechen lassen?
Ob es sehr auffällt, wenn ich mich näher an ihn heranarbeite?
Nein, ich habe nicht vergessen, dass er einen Freund hat. Aber Entschuldigung, ich bin nur ein Kerl und er ist nah und er riecht bestimmt irrsinnig gut und fühlt sich noch besser an. Ich will ihn schon so lange. Es zieht in meiner Brust und in meinem Bauch gleichzeitig. Nur eine Etage tiefer bleibt es verhältnismäßig ruhig, weil meine Libido im Grippe-Streik ist.
Er ist geblieben. Ich kann es nicht fassen. Es ist mir peinlich, aber es tut zweifelsohne gut. Da ich nicht davon ausgehe, dass er vergessen hat, wo sein Auto steht, muss er wegen mir geblieben sein. Weil er sich Sorgen gemacht hat und mich nicht allein lassen wollte. Du lieber Himmel, da bekomme ich gleich wieder Schüttelfrost, wenn auch von der angenehmen Sorte.
Ich bibbere ein wenig vor mich hin und stelle mich tot. Ihr kennt die Opossums aus Ice Age? Voilà, ich mache sie mir zum Vorbild. Ich weiß nicht, was ich tun oder sagen soll. Also liege ich auf dem Rücken und atme flach. Ich möchte nicht, dass Dirk geht. Gleichzeitig bezweifle ich, dass er bleibt, wenn ich zu verstehen gebe, dass ich wach und halbwegs klar bin.
Das Denken fällt mir nach wie vor schwer.
„Lass es gut sein“, flüstert mein innerer Schweinehund. „Genieß es, dass er da ist.“
„Das kommt überhaupt nicht infrage!“, quietscht mein Schamgefühl. „Entschuldigung, aber du siehst aus wie Sau. Du schniefst und röchelst und von deinem Geruch wollen wir gar nicht erst reden. Wenn du dir einen Rest Anstand bewahren willst, bedankst du dich und lässt ihn gehen.“
Mein Schamgefühl neigt dazu, es mir mit der breiten Kelle zu geben.
Die Grippe in mir regt sich: „Darf ich auch etwas dazu sagen? Es geht uns schlecht, richtig schlecht. Und es schadet nichts, wenn jemand bei uns bleibt. Allein die Komplikationen, die auf uns zukommen könnten. Lungenentzündung, Erstickungsanfälle, Fieber bis zum Delirium ...“
An mir ist ein Hypochonder verloren gegangen.
„Außerdem ist es so schön, dass er da ist“, flüstert mein weicher Kern sehnsüchtig. „Ich möchte, dass er bleibt. Und du willst es eigentlich auch. Schluck deinen dummen Stolz halt herunter und nimm an, was dir geschenkt wird.“
Und was sagt meine Libido dazu? Hallo, Libido?
Keine Reaktion, sie dreht sich auf die andere Seite und schläft schnarchend weiter.
Drei zu eins bei einer Enthaltung. Somit darf Dirk bleiben.
Die Entscheidungsfindung im Zwiegespräch mit meinen Impulsen hat mich müde gemacht. Das Stillliegen tut sein Übriges, dass ich wenig später in die Untiefen des Genesungsschlafs stürze. Vielleicht war ich nie richtig wach.
Zeit vergeht. Stunden des Schwebens, in denen der Geist ab und zu ein Bewusstsein entwickelt und der Körper sich heilt. Ich schlafe, aber manchmal höre und fühle ich dabei. In den Minuten, in denen mein Verstand wach ist, fühle ich mich von mir selbst abgeschnitten. Ich bin ein Gast in einem Körper, der sich nicht bewegen kann. Es sollte beängstigend sein, aber der fiebrige Zustand erfüllt mich mit unendlichem Frieden.
Es gibt einen Moment, in dem ich der Oberfläche sehr nah bin. In dem ich Schmerzen habe und zähe Sekrete schwer auf meinen Bronchien
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