Winterliebe
"Ja.”
"Fühlen Sie sich wohl?” fragte Hadubrand.
"Ich denke schon.” OP-Schwester Claudette führte ihre Tasse an die Lippen. Ihre Hand zitterte leicht. Sie trank.
"Und mit Waltraude?” fragte Hadubrand Emmerson weiter. "Ist mit Ihrer Tochter auch alles in Ordnung?”
Claudette Pessackers Blick verdüsterte sich. "Warum fragen Sie mich all das?”
Dr. Emmerson beugte sich etwas vor. "Schwester Claudette, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann…”
"Ich weiß Ihr Angebot zu sch"tzen, Chef, aber ich brauche keine Hilfe. Meiner Tochter und mir geht es gut…”
"Sie sind in letzter Zeit merklich abgespannt und unkonzentriert”, sagte Hadubrand Emmerson.
"Hat sich Dr. Wolling über mich beschwert?”
"Nicht beschwert”, entgegnete Dr. Emmerson. "Wir haben nur über Sie gesprochen.”
Ein gekränkter Ausdruck erschien in den Augen der ehrgeizigen OP-Schwester. "Ist Dr. Wolling mit meiner Leistung nicht mehr zufrieden?”
"Ich würde gerne herausfinden, was Sie bedrückt, Schwester Claudette”, sagte Hadubrand Emmerson. "Vielleicht kann ich Ihnen helfen, mit Ihren Problemen fertigzuwerden.”
"Ich habe keine Probleme.”
"Solange die Arbeit nicht darunter leidet, kümmere ich mich im allgemeinen nicht um das Privatleben meiner Mitarbeiter”, sagte Dr. Emmerson ernst. "Jeder soll seine unangetastete Privatsphäre haben, das respektiere ich, aber… Ich brauche Ihnen, einer erfahrenen OP-Schwester, nicht zu sagen, was im Operationssaal Tag für Tag auf dem Spiel steht. Sie wissen es. Das OP-Team muss so präzise wie ein sauberes, gewissenhaft geöltes Schweizer Uhrwerk laufen. Jeder ist auf seinem Posten wichtig. Einer muss sich hundertprozentig auf den andern verlassen können. Wenn plötzlich jemandes Leistung auf achtzig Prozent absackt, kann das schlimme Folgen haben. Ein solcher Leistungsabfall kann den Erfolg einer Operation gefährden.”
Claudette Pessacker konnte so trotzig sein wie ihre Tochter. Beleidigt reckte sie ihr Kinn vor. "Findet Dr. Wolling, dass ich die hundert Prozent nicht mehr bringe?”
"Verbleiben wir so, Schwester Claudette”, erwiderte Hadubrand Emmerson in versöhnlichem Ton, "Sie denken über das, was ich gesagt habe, in Ruhe nach, und sollten Sie dann finden, dass Sie eventuell doch Hilfe gebrauchen k”nnten, lassen Sie es mich wissen, einverstanden? Ich bin immer für Sie da.”
32
OP-Schwester Claudette ging wieder an die Arbeit. Es war warm im Operationssaal. Die Klimaanlage sorgte für konstante fünfundzwanzig Grad, das war die ideale OP-Temperatur. Normalerweise vertrug Schwester Claudette sie recht gut, aber heute schwitzte sie - und ihre Gedanken kreisten ständig darum, dass man mit ihrer Leistung nicht mehr zufrieden war, um Adalbert Siebenstern, dem Waltraude den Laufpass gegeben hatte, und um ihre Tochter, die mit einem Verbrecher zusammen war. Es muss etwas geschehen, dachte Claudette angespannt. Ich muss etwas dagegen unternehmen. Wenn jemand mit Drogen handelt, nimmt er zumeist auch selbst welche, und ist auch bereit, das wunderbare Gefühl, das das Rauschgift hervorruft, mit dem Mädchen, das er liebt, zu teilen. Waltraude - eine Drogenbraut! O Gott!
"Tupfer!” sagte Dr. Wolling.
Die OP-Schwester wollte ihm eine Klemme reichen, bemerkte es gerade noch rechtzeitig und gab ihm das Verlangte. Der Chirurg warf ihr einen besorgt-vorwurfsvollen Blick zu.
"Entschuldigung”, presste Schwester Claudette hinter der Gesichtsmaske betreten hervor.
Du musst dich zusammenreißen, sagte sie sich eindringlich, musst dich konzentrieren. Es ist eine Appendektomie. Du weißt doch, wie die abläuft, warst schon so oft dabei, dass du bereits selbst operieren könntest. Du darfst dir auf keinen Fall einen weiteren Schnitzer erlauben, auf keinen Fall! Dr. Wolling hatte einen kleinen Zickzack-Schnitt gemacht und entfernte den Wurmfortsatz, der der Patientin seit längerem immer wieder Beschwerden gemacht hatte. Es war eine
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