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Wintermädchen

Wintermädchen

Titel: Wintermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Halse Anderson
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dass ich gegen seinen Rücken knalle.
    »’tschuldigung.«
    »Kein Problem.« Kopfschüttelnd macht er einen schweren Schlüsselbund von seinem Gürtel los. »Bist du wegen einer Wette hier?«
    »Wie bitte?«
    »Vor einer Stunde kam eine r …« Sein Blick ist auf die Hände gerichtet, die immer noch nach dem richtigen Schlüssel suchen. »Seine Freunde hatten gewettet, dass er sich nicht traut.«
    Er hält einen der Schlüssel zwischen Daumen und Zeigefinger fest und lässt die anderen im Bund nach unten gleiten. »Er wollte gucken, ob irgendwo Blut zu sehen ist.«
    Braune Blätter huschen an uns vorbei. Der Wind bläst mir die Haare ins Gesicht, ich streiche sie mir hinter die Ohren. »Warst du hier?«
    Er steckt den Schlüssel ins Schloss, mit dem Rücken zu mir. Seine Stimme ist tonlos wie die eines Museumsführers. »Ich hatte an dem Abend frei. Hab in einer Kneipe in der Stadt Basketball geguckt und bin dann zu einem Kumpel zum Pokern. Achtzig Mäuse gewonnen. Dadurch hatt’ ich ein Superalibi.«
    Die Tür quietscht, als er sie aufstößt. »Haben sie schon rausgefunden, woran sie gestorben ist?«
    Ich schüttele den Kopf. »Ich glaube nicht.«
    Wieder ein Windstoß. »Hoffentlich ging’s schnell.«
    Der Raum hinter ihm ist voll mit Finsternis. Ich erschauere. Dies ist die letzte Tür, durch die Cassie gegangen ist. Sie ging lebend hinein und kam tot wieder raus.
    Ich hätte nicht herkommen sollen.
    »Hast du auch einen Namen?«, fragt er.
    »Was, ich?« Ich zittere so heftig, dass meine Zähne klappern. Ich kenne diesen Typ nicht und ich habe keine Ahnung, warum er mit mir sprechen will. »Ja, ähm, ich heiße Emma. Und du?«
    »Elijah.«
    Ich schlinge beide Arme um mich. »War sie durcheinander, als sie eincheckte?«
    Er schüttelt den Kopf. »Ich hab sie erst zu Gesicht bekommen, als es zu spät war. Ich wohne in der Numme r 115. Als ich nach dem Pokern nach Hause kam, sah ich, dass die Tür offen stand und das Licht brannte. Ich hab sie gefunden.«
    Ich wende mich schnell von ihm ab und kneife die Augen zu. Jede Stelle meines Körpers tut mir weh, wie bei einer Grippe oder als hätte die aus Zimme r 113 ausströmende Luft mich irgendwie infiziert. Mein Herz hämmert gegen seinen knöchernen Käfig, wieder und wieder, und Blut sickert nach unten bis zu den Ritzen im Boden.
    »Ich hab ihren Puls kontrolliert«, fährt er fort. »Und den Rettungsdienst angerufen.«
    »Hör auf«, flüstere ich.
    Er käut für mich zum x-ten Mal seine Geschichte wieder, wie für jeden zahlenden Kunden, der sich am Schicksal der toten Blondine weidet. Hereinspaziert zur Freakshow, Sie können gern mit dem Handy filmen, stellen Sie das Blut ins Netz. Genießen Sie, wie sich die Drahtschlinge in Ihnen zuzieht, bis Ihnen der Atem stockt.
    Ich schlage die Augen auf und drehe mich wieder um. Er ist dort drin, in den Schatten, und streckt die Hand nach der Lampe auf der Frisierkommode aus.
    »Ich sagte, hör auf«, wiederhole ich laut. »Ich will nichts mehr sehen.« Ich mache mich mit zitternden Beinen davon. »Ich muss jetzt gehen.«
    »He!«, ruft er mir hinterher. »Komm zurück!«
    Ich summe vor mich hin, um seine Stimme zu übertönen.
    »He, warte!«, schreit er. »Kennst du ein Mädchen namens Lia?«
    Ich bleibe stehen, die Hand schon an der Wagentür. »Wie bitte?«
    Er sprintet zu mir herüber und bleibt ein paar Schritte vor dem toten Vogel stehen. »Ich suche nach jemandem namens Lia. Sie könnte auf deine Schule gehen.«
    »Warum?«
    Er verschränkt die Arme vor seiner Brust und erschauert. Der Wind hat gedreht und weht nun nach Norden. »Ich muss sie halt finden.«
    Die Vogelflügel flattern, Knochen rasseln wie Würfel.
    »Tut mir leid«, sage ich. »Nie gehört.«
    017.00
    Das Kino ist leer, nur ich in der letzten Reihe und weiter vorn drei Kindermädchen Mütter mit verschwitzten Kindern. Das Licht des Projektors fängt eine durch die Luft wirbelnde Galaxie aus Hautschuppen und Popcornspelzen ein. Auf der Leinwand kämpfen Cartoonfiguren, die ihre Gestalt wechseln können, gegen Bösewichte. Eine zweitklassige Manga-Matinee.
    Ich greife in die Tüte aus dem Drogeriemarkt.
    Zwei Kindermädchen Mütter unterhalten sich, während die dritte lautstark in ihr Handy schimpft. Die Kinder hüpfen wie wild auf ihren Sitzen auf und ab. Über ihnen zerstören die Robotermonster gerade ein Dorf. Die großäugigen Helden verwandeln sich in Fuchsmenschen, die mit den Pfoten schießen.
    Ich hole die Packung Rasierklingen

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