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Wintermädchen

Wintermädchen

Titel: Wintermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Halse Anderson
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repariere. Na ja. Er muss sich eben mit dem begnügen, was das Universum für ihn bereithält.«
    »Das ist aber eine lahme Ausrede, um sich vor der Arbeit zu drücken.«
    »Nein, ist es nicht. Nichts geschieht ohne Grund.« Er gähnt und streckt sich. »Das muss man einfach akzeptieren und sich mit dem Strom treiben lassen, anstatt gegen ihn anzuschwimmen.«
    »Was für ein Mist.«
    Seine Augen leuchten schelmisch auf. »Der Mist des einen ist der Dünger des anderen.« Er deutet auf die Wände. »Frag die hier.«
    Die Wände sind von oben bis unten mit aus Büchern herausgerissenen Seiten tapeziert, manche Textpassagen leuchten in Rot, Gelb oder Grün von Filzmarkern. Ich beuge mich vor und versuche im schummrigen Licht etwas zu erkennen. WALDEN steht oben auf einer Seite.
    »Was hast du angestellt? Eine Bibliothek ausgeraubt?«
    »So ungefähr«, sagt er und verschwindet Richtung Badezimmer. »Emerson, Thoreau, Watts. Sonya Sanchez, hast du mal was von der gelesen? Ein paar Seiten Bibel. Die Bhagavad-Gita. Dr . Seuss, George Santayana. Ich habe sie alle aufgeklebt, um ein Energiefeld guter Ideen zu schaffen. Mein Geist saugt sie auf, während ich schlafe. Sekunde, bin gleich wieder da.« Er verschwindet im Bad.
    Ich nehme mir den Spiralblock vom Tisch, der auf dem Stapel ganz oben liegt, und blättere ein bisschen herum. Elijah hat darin irgendwelche Zeitungsartikel eingeklebt und Gesichter gezeichnet, gar nicht mal schlecht. Charlie an der Motelrezeption. Eine müde Frau mit Lockenwicklern im Haar. Noch mehr seltsame Wesen, halb Mensch, halb sonst irgendwas, wie dieses Ding auf seinem Arm. Manche Seiten sind mit einer winzigen Handschrift ausgefüllt, die aussieht wie Ameisen, die übers Papier marschieren.
    Elijah kommt mit einer Klopapierrolle in der Hand aus dem Bad. »Da stehen die Geheimnisse des Universums drin, weißt du? Du kannst dir echt was drauf einbilden, einfach so rumschnüffeln zu dürfen.«
    »Entschuldige.« Ich lege den Block auf den Stapel zurück. »Du bist nicht hier aus der Gegend, stimmt’s?«
    Er wirft die Klopapierrolle auf die Kissen, klappt den Pizzakarton auf und nimmt sich ein Stück. »Aus New Jersey.« Er beißt ab und die Käsefäden bilden eine Hängebrücke von seinem Mund bis zur Hand. »Auch ein Stück?«
    Nur einmal abbeißen, bitte, und dann noch mal und noch mal Kruste und zerlaufener Käse mit Wurst mehr noch mehr Das Gefühl der Leere ist stark und unbesiegbar. »Ich hab schon gegessen.«
    »Umso besser. Dann bleibt mehr für mich.« Er setzt sich aufs Bett. »Möchtest du Poker spielen?«
    »Nein, danke.«
    Er rafft eine Handvoll Karten zusammen, Karo und Pik. »Was spielst du am liebsten? Texas-Hold’em oder Five-Card-Draw? Und wie viel Cash hast du dabei?«
    »Ich sagte Nein. Du willst mir doch nur mein Geld abknöpfen.«
    Er klappt die Pizza in der Mitte zusammen und beißt wieder hinein. »Verdammt richtig«, nuschelt er durch die Schweinerei in seinem Mund. »Aber während ich es tue, wirst du eine Menge lernen. Ich bin einer der besten Bluffer der Stadt.«
    Ich verstecke meine linke Hand hinter meinem Rücken und presse die Fingernägel in die Handfläche, bis der Schmerz den Duft Gestank des Essens überdeckt. »Ich kann aber kein Poker.«
    »Ich bin entsetzt. Wie alt bist du?«
    »Achtzehn.«
    »Du kannst wählen und zur Army gehen, aber Poker spielen kannst du nicht? Jemand hat deine Erziehung schwer vernachlässigt, junge Dame.« Er mischt die Karten wie ein Profi. »Setz dich, ich bring’s dir bei.«
    Ich mache zwei Schritte auf die Tür zu, schüttel den Kopf und muss ein Lächeln unterdrücken. »Sorry, das Universum teilt mir gerade mit, dass es Zeit ist, nach Hause zu gehen. Ich lasse mich mit dem Strom treiben, hinaus auf den Parkplatz.«
    »Du hast es kapiert, cool!« Elijah wischt mit dem Klopapier einen Tomatenfleck vom Karobuben. »Warte, ich habe eine Frage: Weißt du, wo ich einen guten Schrottplatz finde? Charlie behauptet, in ganz New Hampshire gibt es keinen einzigen. Der El Camino da draußen gehört mir, aber ohne eine neue Verteilerkappe tut er’s nicht mehr.«
    »Du holst dir die Teile für dein Auto vom Schrottplatz?«
    »Du etwa nicht? Das ist am billigsten und dazu noch Eins-a-Recycling.«
    »Ich frag mal meinen Vater.« Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke zu. »Der kennt sich aus mit Autos.«
    »Cool. Danke.« Er deutet auf den Pizzakarton. »Willst du ganz sicher kein Stück für unterwegs?«
    Oh doch, gern. »Nein,

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