Wintermädchen
danke.«
Ich stehe da. Und stehe und stehe.
Warten.
»Ich dachte, du wolltest gehen.« Elijah wirft sich ein Wurststück in den Mund. »Willst du einen Abschiedskuss? Damit kann ich gern dienen.«
»Nein.« Wieder presse ich mir die Fingernägel in die Handfläche, um mich anzufeuern. »Hör zu«, sage ich. »Ich muss dir ein Geständnis machen. Die Pizza ist nicht nur ein Dankeschön.«
»Wusste ich’s doch!« Er boxt triumphierend in die Luft. »Du hast dich in mich verknallt. Du willst Kinder von mir. Wir werden ein paar Pferde und einen Planwagen kaufen und nach Südamerika runtermachen, um dort Ziegen zu züchten.«
»Träum weiter.« Ich räuspere mich. »Ich habe die Pizza mitgebracht, um dich zu bestechen.«
»Ich bin bestechlich.«
Ich hole tief Luft. »Ich möchte gern, dass du mich auf Cassies Beerdigung begleitest. Sonntag Früh.«
Wieder ein Grinsen. »Siehst du? Du willst ein Date!«
»Nein, will ich nicht, du Idiot! Es ist eine Beerdigung. Eine grässliche Beerdigung und ich weiß nicht, wen ich sonst fragen soll.«
Er reißt ein Stück Kruste ab. »Was springt dabei für mich raus?«
»Ich hab dir gerade eine Pizza geschenkt.«
»Das reicht nicht. Beerdigungen bringen das Schlimmste in einem zum Vorschein. Ganz miese Schwingungen.« Er schüttelt den Kopf. »Nee, das schaffe ich nicht.«
»Du musst aber.«
»Nein, muss ich nicht.«
Ich sauge meine Wange ein. »Wie wär’s mit einer Runde Karten? Wenn ich gewinne, kommst du mit.«
»Und wenn du verlierst?«
Ich schlucke. »Wenn ich verliere, gebe ich dir fünfzig Dollar – unter einer Bedingung.«
»Na bitte, wie ich dir gesagt habe: Es gibt immer einen Haken. Nämlich?«
»Wir spielen Hearts statt Poker.«
029.00
Als ich nach Hause komme, haben Jennifer und Dad es sich auf dem Sofa vorm Gaskamin gemütlich gemacht, die Flammen sind auf klein gestellt und auf dem großen Bildschirm läuft irgendein Schmachtstreifen. Jennifer massiert Balsam in Dads rechtes Handgelenk. Das exzessive Tippen hat seine Sehnenscheidenbeschwerden offenbar verschlimmert.
»Wo ist denn Emma?«, frage ich. »Sie ist doch nicht schon im Bett?«
»Sie übernachtet heute bei den Grants«, sagt Jennifer. »Entgegen aller Vernunft.«
»Wieso?«
Jennifer lässt noch mehr Massageöl aus der Flasche in ihre Hand laufen. »Morgen ist das letzte Fußballturnier, den ganzen Tag lang. Sie wird erschöpft sein. Ich finde ja immer noch, wir hätten es ihr nicht erlauben sollen.«
»Lass dem Kind doch ein bisschen Spaß«, sagt Dad und zuckt leicht zusammen, als Jennifer sein Handgelenk zu kneten beginnt. »In zehn Jahren wird sich kein Mensch mehr daran erinnern, wie sie bei diesem Fußballturnier gespielt hat.« Er sieht zu mir hoch. »Warst du wieder in der Bibliothek?«
»Bei einer Freundin. Mira«, lüge ich. »Wir haben ein bisschen Physik gelernt, aber die meiste Zeit haben wir Karten gespielt und Pizza gegessen.«
»Wie schön«, sagt Dad und strahlt mich an. »Das hast du ja schon seit Ewigkeiten nicht mehr getan.«
Jennifer hat den Blick gesenkt. Ihr Daumen massiert Kreise in die Handballen meines Vaters. »Wie war deine Sitzung bei Dr . Parker?«, erkundigt sie sich.
Das geht dich einen Scheißdreck an. »Gut. Ich bin froh, dass ich da war. Wir haben über Cassie geredet.«
»Hervorragend«, sagt Dad. »Ich bin sehr stolz auf dich.«
»Danke. Ich geh schlafen. Bin alle.«
»Wart mal.« Jennifer legt seine Hand zurück auf seinen Schoß und schaut mich endlich an. »Was ist mit der Beerdigung?«
Ich bleibe in der Tür zur Diele stehen. »Sie hält es für eine gute Idee. Ich gehe mit Mira und ein paar von den Theatermädels hin.«
»Aber wenn du dich dort unwohl fühlst, verschwindest du einfach. Und wenn du deine Meinung änderst und lieber einen von uns mitnehmen möchtest, sag Bescheid.«
»Ich komm schon klar.«
Als ich mich abwende, fügt sie hinzu: »Moment, Lia, noch etwas.«
Ich drehe mich wieder um.
»Ich habe heute noch mal mit deiner Mutter gesprochen«, sagt Jennifer, ohne Dads erstaunte Miene zu beachten.
»Ja?« Mir schwant Schlimmes.
»Ich hab ihr versprochen, dich zu überreden, morgen bei ihr zu übernachten.«
Wusste ich’s doch. »Ich will aber nicht«, sage ich. »Ich wüsste nicht, aus welchem Grund.«
»Natürlich«, sagt Jennifer. »Du bist erwachsen und triffst deine eigenen Entscheidungen. So langsam begreifen wir das auch.« Sie lächelt, wodurch ihr Ton ein wenig weicher wird. »Aber manchmal bedeutet
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