Wintermaerchen
Handwerker, ein Genie im Umgang mit Werkzeugen.
Peter Lake gehörte bald zu jener Elite von einem halben Hundert Knaben, die Tag und Nacht in Mootfowls Schmiedewerkstatt arbeiten durften. Da sie von klein auf in dieser handwerklichen Kunst unterwiesen wurden, brachten sie es darin schon bald zu wahrer Meisterschaft. Das traf sich gut, denn um jene Zeit hielt die Technik ihren Einzug in der ganzen Stadt. Große Maschinen erzeugten elektrischen Strom, krönten sich selbst mit einem Federwisch aus Rauch und Dampf und erhellten bald jede Straßenecke in der nächtlichen Stadt. Gewiss, diese Entwicklung kam nur langsam in Gang, doch nachdem ein Anfang gemacht war, breitete sich der Glanz der Technik unaufhaltsam aus. Der Stadt wurde nicht nur neue Kraft und Schnelllebigkeit eingeflößt, sondern sie strebte seit jener Zeit unermüdlich der Zukunft entgegen. Eine verwirrende Anzahl unterschiedlichster Dinge musste auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Mit der sich überall durchsetzenden Elektrizität, den riesigen Motoren und Dynamos, dem unterirdischen Tunnelsystem und den immer höher in den Himmel ragenden Gebäuden erschlossen die Männer der Technik und des Handwerks eine neue Welt. Der Vormarsch der Maschinen machte bald aus der ganzen Stadt eine einzige Maschine, die Tag und Nacht von einem Millionenheer bedient und gewartet werden musste.
Peter arbeitete in einer riesigen Werkstatt, die von brausendem Lärm erfüllt war. Dutzende von Feuern warfen ihren flackernden Schein auf ölige Maschinen und rauchgeschwärztes Werkzeug aus schwerem Stahl. Wie die anderen Knaben trug Peter eine Lederschürze und dicke Handschuhe. Die Arbeitstage dauerten sechzehn Stunden. Mootfowl ging manchmal sogar erst nach zwanzig Stunden nach Hause. Die in der Werkstatt durchgeführten Präzisionsarbeiten erbrachten beachtliche Einnahmen, aber am wichtigsten war die Arbeit selbst. Überall in der Stadt führten die jungen Handwerker unter Mootfowls Leitung Aufträge aus. Bald waren sie mit ihren schwarzen Schürzen, ihren erstaunlichen Fertigkeiten und ihrer an Wahnsinn grenzenden Hingabe an ihr Handwerk überall bekannt. Von Tag zu Tag wurden sie besser und leisteten mehr. So erfüllten sie die Anforderungen und den Auftrag ihres Zeitalters.
Mootfowl trug bei der Arbeit einen chinesischen Hut, damit seine Haare nicht versengt wurden, wenn er auf dem schmierigen Fußboden niederkniete und ein weißglühendes Werkstück inspizierte. Die Art und Weise, wie er mit glühenden Eisenteilen umging, war ein blankes Wunder an Geschicklichkeit und Umsicht. Mit treffsicheren Hammerschlägen formte er aus dem weichen Metall unterschiedlichste Maschinenteile von großer Haltbarkeit und Zuverlässigkeit.
Der Meister war ziemlich groß. Sogar als Peter schon ausgewachsen war, kam er sich neben ihm wie ein Zwerg vor. Übrigens hatte Mootfowl ein ansprechendes, ziemlich zerfurchtes Gesicht, auf dem meist eine Mischung aus Ruß und Schweiß verschmiert war. Jedes Mal, wenn Peter in Mootfowls Augen blickte, musste er an seine Kindheit bei den Sumpfmännern denken. Unter Mootfowls Obhut lernte er lesen, schreiben, rechnen und mit Auftraggebern feilschen. Schon bald kannte er sich so gut in der Stadt aus, dass er sich allein zurechtfand.
Da ungefähr die Hälfte seiner »Kollegen« irischer Herkunft war, lernte Peter Englisch mit einem irischen Akzent. Schon nach wenigen Jahren war ihm der irische Dialekt so geläufig, dass er nicht mehr anders sprechen konnte. Allmählich fiel es ihm schwer, Sätze in der Sprache der Sumpfmänner zu formen. Es betrübte ihn, dass er auf diese Weise sein wahres Selbst verlor, woraus es auch immer bestanden haben mochte. Er war kein richtiger Sumpfmann, kein echter Ire und hatte auch nie so recht zu Mootfowls Mannschaft gehört, denn anders als die fünf- bis sechsjährigen Knaben, die irgendwo in einem Winkel der Werkstatt angelernt wurden, hatte er, Peter, seine Lehrjahre vergleichsweise spät begonnen. Peter wusste nicht, wohin er gehörte, wem er Treue schuldete, aber er ging davon aus, dass diese Ungewissheit sich ähnlich wie so manch andere Anfechtung eines Tages von selbst erledigen würde.
So waren denn Mootfowl und sein Handwerkertrupp un ermüdlich am Werk, während sich die Stadt in immer neuen Schichten übereinandertürmte, schneller als ein Korallenriff aus dem Meer wächst. Jedem der turmhohen Gebäude war nur für kurze Zeit ein freier Ausblick über die anderen Bauten der Stadt vergönnt, denn
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