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Wintermaerchen

Wintermaerchen

Titel: Wintermaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Helprin
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Knacken aus dem Toaster. Geistesgegenwärtig fing Beverly sie mitten in der Luft auf.
    Peter Lake hatte nun ein zehn Zoll tiefes Loch gebohrt. Alle Muskeln schmerzten ihn, und er war durstig. Wenige Sekunden, bevor Beverly ein zweites Mal an der offenen Tür des Arbeitszimmers vorbeikam, um ins Musikzimmer zu gehen, warf sich Peter erschöpft auf ein Ledersofa und schloss die Augen. Hätte er dies nicht getan, wäre er von Beverly entdeckt worden.
    Das Mädchen stellte den kleinen Porzellanteller mit den beiden Toastscheiben und eine hauchdünne Tasse, die mit siedend heißem Tee gefüllt war, auf das Klavier. Als sie das vor vielen Jahren zum ersten Mal getan hatte, war sie deswegen von ihrem Vater gescholten worden. Gewiss gab es in der glatten Politur des Flügels ein paar Ringe, aber das hatte den Klang des Instruments nicht verändert. Was sollte sie heute spielen, fragte sich Beverly. Vielleicht Les adieux ? Diese Beethovensonate gehörte zu ihren Lieblingsstücken. Sicherlich war sie genau das Richtige, um sich vom Fieber zu verabschieden. Aber nein, die Schönheit von Les adieux mochte ebenso gut eine Einladung an das Fieber sein zurückzukehren, diese Musik war stark genug, um einen Reiter mitten im Galopp kehrtmachen zu lassen. Schließlich beschloss Beverly, die Klavierfassung des Allegro aus Brahms’ Violinkonzert zu spielen. Schon die Eröffnung war von einer solchen Kühnheit, dass es Beverly Überwindung kostete, die ersten Töne und Akkorde zu spielen. Ein Frösteln durchlief sie, doch gleich darauf flutete die Musik durch den Raum, fand ihren Weg durch das ganze Haus und schlug jeden, der sie hören konnte, in ihren Bann.
    Peter hatte kraftlos auf der Couch gelegen. Seine Werkzeuge lagen auf dem Fußboden verstreut. Er hatte die für einen Dieb unerlässliche Wachsamkeit außer Acht gelassen und war deshalb besonders verwundbar. Als die Musik mit mächtigem Schwall heranbrandete, war er gänzlich unvorbereitet. Sein Herz setzte aus, er flog geradezu in die Luft und fiel mit einem Gesichtsausdruck, der an einen getretenen Hund gemahnte, auf das weiche Möbel zurück. Dann fing er sich jedoch rasch – auch das gehörte zu seinem Beruf. Blitzschnell sprang er auf die Füße. Jetzt war er kein Einbrecher mehr, den man auf frischer Tat ertappt hatte. Nein, jetzt ging es ums Ganze! Er ließ seine Werkzeuge und seine Jacke liegen und ging der Musik entgegen. Dies war etwas anderes als das sentimentale, wehmütige Geklimper in einer Kneipe. Hier wehte ihn Höheres an, keine Folge abstrakter Töne, sondern etwas, das so schlicht und offenkundig war wie die zahllosen Lichter, die des Nachts gleich riesigen, grünlich-weißen Perlenketten die elegant geschwungenen Hängebrücken illuminierten.
    Als er an der Tür des Musikzimmers ankam, war er schon entwaffnet. Die Töne, die Beverly dem großen Flügel entlockte, hatten ihn mit der Kraft eines Naturgesetzes durchdrungen. Dort saß sie, in ein Handtuch gewickelt, und spielte auf der großen schwarzen Musikmaschine. Sie schwitzte, sie arbeitete hart, sie war ganz darin versunken, all ihre Kraft in die Tasten des Instruments strömen zu lassen. Ihr Haar war halbnass, zerzaust, achtlos hochgesteckt. Während sie spielte, sang sie mit oder sprach mit dem Klavier, sie neckte, drängte, ermutigte es. Sie redete mit verhaltener Stimme, und ihre Lippen formten jedes einzelne Wort überdeutlich aus: »Ja!«, sagte sie. »Jetzt!« Dann griff sie summend oder singend das Thema auf. Mit geschlossenen Augen schlug sie harte Akkorde an und zog die Hände mit einem Lächeln zurück. Die Muskeln und Sehnen ihres Nackens und ihrer Schultern spannten und dehnten sich wie bei einem Athleten. Peter Lake konnte nicht sehen, dass sie den Tränen nahe war. Fast ärgerlich bemühte er sich, seine eigenen Gefühle im Zaum zu halten, aber es wollte ihm nicht gelingen. Am liebsten hätte er sich davongemacht, aber er blieb wie angewurzelt stehen, bis Beverly fertig war und heftig atmend den Deckel des Instruments schloss.
    Die Art, wie Beverly atmete, war in der Tat sonderbar. So rangen Menschen nach Luft, die sich in den Fängen eines heftigen Fiebers befanden. Sie stand auf und stützte sich mit beiden Händen auf dem Klavier ab, sonst wäre sie gefallen. Peter konnte die Augen nicht von ihr wenden. Er fühlte sich zutiefst beschämt. Der Gedanke, dass er hierhergekommen war, um zu stehlen, quälte ihn. Er war in das Haus eingebrochen und stand nun auf der Schwelle dieses Zimmers,

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