Wintermörder - Roman
Familiengeschichte liegen. Ob Sie sich das alles selbst zuzuschreiben haben.«
Denise’ Herz klopfte vor Erleichterung. »Sie meinen auch, dass alles zusammenhängt. Erst der Brand, der Mord an meiner Großmutter und dass … dass mein Sohn entführt wurde. Dann muss er doch hier in Krakau sein.«
»Aber Sie haben keine Beweise. Solange Sie keine Beweise haben, kann ich Ihnen nicht helfen. Solange ist alles nur Phantasie.«
»Aber Sie müssen mir helfen. Es geht um ein Kind, mein Kind.«
Matecki stand auf und ging zur Tür. »Phantasie reicht nicht, um Frederik zu finden. Bringen Sie mir Beweise. Jede Nacht passiert in Krakau ein Verbrechen. Und wir sind wenig Polizei.«
Denise stand auf.
»Wie kann ich Sie erreichen, wenn ich eine Spur gefunden habe?«
»Sie können jederzeit anrufen.« Er ging an den Schreibtisch und notierte eine Nummer. »Irgendjemand ist immer hier.«
»Danke«, sagte Denise, »dass Sie mir wenigstens die Wahrheit über meinen Mann gesagt haben.«
»Die Wahrheit«, sagte er.»Wenn Sie nach ihr suchen, dann sollten Sie wissen, dass das Grauen nie endet.«
Verwirrt verließ Denise das Polizeigebäude. Sie hatte fest damit gerechnet, dass der Polizist ihr helfen würde, und nun hatte er ihr zu verstehen gegeben, dass der Fall nicht seine Angelegenheit war.
Sie überquerte die Straße. Auf der anderen Seite drehte sie sich um. Matecki stand noch immer am Fenster und schaute zu ihr hinunter. Vielleicht würde er ihr gerne helfen, doch ihm waren die Hände gebunden. Sie nickte ihm zu. Dann machte sie sich auf den Weg. Unterwegs kaufte sie bei einer alten Frau an einem Kiosk einen Stadtplan, um sich zu orientieren.
Was sollte sie jetzt tun?
Was war der nächste Schritt?
31
Daran, dass Henris Stimme höher klang als sonst und er ungewöhnlich schnell sprach, erkannte Myriam, dass die Nachricht, die er ihr mitzuteilen hatte, zur Kategorie positiv gehörte.
»Wir haben das Handy erreicht«, rief er ins Telefon.
»Was?«
»Das Handy, von dem aus der Entführer das erste Mal Jost angerufen hat.«
»Aber wieso …«
»Du wirst es nicht glauben. Eine Studentin hat es in einem Papierkorb gefunden. Mitten in Krakau. Es fehlte der Akku. Er hat den Akku herausgenommen, genau wie ich dachte.«
»Und wieso funktioniert es dann jetzt?«
»Sie hat es ihrem Bruder mitgebracht. Der hat einen passenden Akku besorgt.«
»Und die Geheimnummer?«
»Das sind Polen«, lachte Henri, »so etwas ist doch für die kein Problem. Das Mädchen war total happy, dass sie so zu
einem Handy kam. Ich habe Matecki vorbeigeschickt.«
»Gut, dass du nicht aufgegeben hast.«
»Ich gebe nie auf, das wirst du noch merken. Ich habe einen langen Atem. In allen Bereichen. Wie geht es dir?«
Myriam griff automatisch ins Haar, um es hinten zu verknoten, doch sie fühlte nur Leere. Erneut lief die Welle der Angst durch ihren Körper. Die Tatsache, dass auch die Exhumierung sie nicht wirklich weitergebracht hatte, dass nur neue Fragen aufgetaucht waren, verstärkte den Schock vom vergangenen Abend. Die Angst war in ihren Körper eingezogen. Mit allem, was dazugehörte. Nicht nur mit Herzrasen und Zittern, sie hatte auch taube Finger, durch die alles rutschte, was sie festhalten wollte. Der Tee schmeckte faulig, und essen konnte sie sowieso nichts.
»Gut«, antwortete sie, »bis später.«
Vor ihr lag die Akte des Albaners, die sie mit einem schlechten Gewissen betrachtete. Sie hatte sich für die Verhandlung am Montag nicht so gründlich vorbereitet, wie es der Fall verlangte.
Zum ersten Mal hatte sie den Wunsch, sich krank zu melden. Einfach nach Hause zu gehen und sich die Decke über den Kopf zu ziehen.
Bevor dieser Wunsch vollständig von ihr Besitz nahm, schlug sie die Akte auf. Die Tatortfotos waren spektakulär. Zwei blutüberströmte Leichen mit zerfetzten Gesichtern in einem Wagen.
Nichts daran hatte etwas mit dem Überfall auf sie zu tun.
Dennoch der Gedanke: Das könnte ich sein.
Ihre Finger schlugen Alarm. Die ganze Hand bewegte sich hin und her. Sie konnte sie nicht mehr kontrollieren. Wie ihr Vater hielt sie die rechte Hand mit der linken fest und atmete
tief durch.
»Reiß dich zusammen!«, sagte sie laut.
Langsam und konzentriert blätterte sie weiter zum Gutachten, das aussagte, Agim Kadare, der Albaner, sei traumatisiert, nachdem er beide Brüder im Krieg verloren hatte. Der Verteidiger würde auf nicht geplanten Totschlag plädieren. Natürlich war er traumatisiert, aber er hatte seiner
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