Wintermörder - Roman
dass alles zusammenhängt, verstehen Sie? Der Brand war kein Zufall.«
Er reagierte nicht, bis sie fast schrie: »Ich weiß, dass mein Sohn hier in Krakau ist.«
»Warum sind Sie sich so sicher?« Matecki drehte sich erneut um und schaute zum Fenster hinaus. Dann hob er eine Hand, um es zu öffnen. Die kalte Luft roch nach Abgasen, nach Kohle, nach Teer.
Er wandte sich wieder Denise zu und beobachtete sie.
Sie begann unter seinen Blicken zu zittern und spürte, dass ihr die Tränen kamen, was nicht sein durfte. Sie musste entschieden wirken, wenn sie Hilfe wollte. Würde er erkennen, dass sie ein Nervenbündel war, könnte der Polizist sie nach Hause schicken und sagen, dass sie sich das Ganze einbildete.
»Es ist eine lange Geschichte«, sagte sie.
Matecki setzte sich, nahm eine Zigarettenschachtel aus der Tasche seines Jacketts und zog eine Zigarette hervor. Er drehte sie zwischen den Fingern. »Ich habe Zeit.«
Als Denise mit der Geschichte fertig war, schwieg er.
Was dachte er?
Dass das Ganze irrsinnig war?
Dass Verbrechen anders abliefen?
Ein Mann ermordet seine Frau aus Liebe, ein Gangster einen anderen aus Habgier, ein Mafioso rächt sich an einem anderen. Doch niemand entführt ein Kind, ohne Lösegeld zu fordern oder um die Geschichte einer Familie nach sechzig Jahren an die Öffentlichkeit zu bringen.
»Und wie soll ich Ihnen helfen?«, fragte er schließlich.
»Erzählen Sie mir alles über den Brand. Nehmen Sie mich ernst. Suchen Sie nach dieser Sophia Fuchs.«
»Sophia Fuchs existiert nicht«, antwortete er und zündete die Zigarette an.
»Sie haben nach ihr gesucht?«
»Ich weiß es.« Er schwieg einige Minuten, zog an der Zigarette, beobachtete sie und fuhr dann fort: »Ja, es war Brandstiftung. Ihr Mann hat Geld angeboten, damit wir der Versicherung nichts sagen. Damit er die, wie heißt das …?«
»Prämie.«
»Ja, die Prämie bekommt.«
»Warum haben Sie nicht gesagt, dass es Brandstiftung war?«
Matecki beugte sich über den Schreibtisch. »Ihr Mann denkt, wir Polen nehmen alle Geld. Wir alle betrügen und stehlen. Denken Sie das auch?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf.
»Gut.« Er lehnte sich zurück und warf ihr wieder einen dieser unergründlichen Blicke zu.
»Aber ich habe es nicht genommen«, erklärte er. »Ich habe kein Geld genommen.«
»Dann zahlt die Versicherung nicht.«
»Doch.«
»Warum?«
»Sie haben einen Arbeiter gefunden, der gestanden hat, aus Versehen Diesel verschüttet zu haben, der später die Folie in Brand setzte.«
»Ich verstehe nicht, Sie sagten doch, es sei Brandstiftung gewesen.«
»Was meinen Sie, wie viel Ihr Mann von der Versicherung bekommt?«
»Mehrere Millionen?«
»Was sind dann zehntausend Euro für einen Arbeiter?«
»Sie meinen, der Arbeiter hat für ein falsches Geständnis Geld bekommen? Von meinem Mann?«
Matecki nickte.
»Warum macht keiner etwas dagegen, wenn es jeder weiß?«
»Polizeichef, Bürgermeister, alle sagen dasselbe.« Er zuckte mit den Achseln »Wenn ein Geständnis vorliegt, dann gibt es einen Schuldigen. Ihr Mann ist wichtig für Krakau.« Ihm schien es zu gefallen, sie mit dieser Geschichte zu konfrontieren. Er lachte kurz auf. Oder klang sein Lachen bitter?
Sie fröstelte.
Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Ist Ihnen kalt?«
»Sie meinen, der Fall wurde ad acta gelegt, weil der Bürgermeister und Ihr Chef sich eingeschaltet haben?«
Er lachte wieder. »Ich habe kein Geld genommen, und trotzdem ist es keine Brandstiftung. Das ist Polen.«
»Aber das ist doch nicht möglich?«
»Alles ist möglich in Polen wie in Deutschland.«
»Können Sie mir wenigstens sagen, was sie ermittelt haben? Hatten Sie einen Verdacht, wer den Brand gelegt haben könnte?«
»Es gibt einen Plan.« Er nahm den letzten Zug, stand auf und schloss wieder das Fenster.
»Welchen Plan?«
»Fahren Sie nach Hause«, sagte er.
»Das kann ich nicht. Es gibt noch mehr Hinweise auf Polen und Krakau. Ein Foto zum Beispiel. Mein Großvater war hier im Krieg, und was ist mit diesen Bildern? Was ist mit der Anschuldigung, die Gemälde, die seit Jahrzehnten in der Villa meiner Großmutter hängen, seien hier aus demHistorischen Museum gestohlen worden? Wie hängt alles zusammen?«
Matecki schaute sie an. Für einen Moment glaubte sie, so etwas wie Mitleid in seinen Augen zu lesen. »Sie möchten es wirklich wissen, oder?«
»Was?«
»Ob die Gründe für die Entführung Ihres Sohnes und den Mord an Ihrer Großmutter in Ihrer
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