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Wintermörder - Roman

Titel: Wintermörder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Gerüchte, dass Kazimierz abgerissen werden sollte. Es stand nach der Umsiedlung der jüdischen Bevölkerung ins Ghetto zum größten Teil leer oder wurde von Leuten bewohnt, die kein Geld hatten. Wenn Hans Frank hier oben auf dem Wawel stand und auf das Viertel hinabblickte, war es ihm ein Dorn im Auge. Ein Schandfleck in seinem Krakau. Er wollte es aus den Augen haben. Das ist nicht schwer nachzuvollziehen, oder?«
    »Ich kann es nicht glauben.« Ihre Stimme bebte. Das Gefühl, betrogen worden zu sein, war unerträglich.
    »Die Pläne wurden nie umgesetzt«, sagte Kadow, als könne er sie damit trösten.
    »Aber mein Großvater hat die Pläne entworfen. Er hat für Hans Frank gearbeitet. Er muss gewusst haben, mit wem er es zu tun hatte.«
    »Ich habe noch etwas gefunden«, sagte Kadow. Er zog unter dem Plan ein Buch hervor. »Ist das das Foto, von dem Sie mir erzählt haben?«
    Sie nickte. Hans Frank und ihr Großvater auf dem Wawel in Krakau.
    »Und genau in dieser Richtung, auf die Frank deutet«, erläuterte Kadow, »liegt Kazimierz. Und hören Sie zu. Hier steht ein Zitat von Frank: Die Stadt Krakau müsse die judenfreiste Stadt des Generalgouvernements werden. Nur so werde es möglich sein, saubere deutsche Wohnsiedlungen zu errichten, in denen man eine deutsche Luft atmen kann.«
    Eine Minute herrschte Schweigen.
    War sie schockiert? Sie horchte in ihr Inneres. Aber sie spürte nichts. Sie musste sich nicht setzen. Ihr Herz schlug im normalen Takt. Es berührte sie nicht. Im Gegenteil.
    »Ich weiß jetzt«, sagte sie, »was er von mir will. Ich habe es verstanden. Er zwingt mich, die wahre Geschichte meiner Familie kennen zu lernen. Ich werde tun, was er verlangt. Ich werde alles, was ich weiß, den Medien berichten. In Deutschland und in Polen.« Doch der Moment der Erleichterung dauerte nicht lange. »Aber hat er meine Großmutter umgebracht und Frederik entführt, nur weil mein Großvater Pläne für Hans Frank entworfen hat? Die noch nicht einmal ausgeführt wurden?«
    Hinter ihnen öffnete sich die Tür. Eine ältere Frau mit toupierten mahagonifarbenen Haaren betrat den Lesesaal. Ihre Schuhe klackten auf dem Holzboden, als sie nach vorne lief. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm und darunter eine weiße Bluse. Zwei Tische hinter ihnen machte sie vor einem Stapel Bücher halt und nickte Kadow zu. Bevor sie sich setzte, strich sie immer wieder den Rock glatt.
    »Lassen Sie uns gehen.« Kadow nahm ihren Arm. Sie folgte ihm Richtung Ausgang.
    Unten stand noch immer eine Schlange von Studenten, um Bücher abzuholen. Sie drängten sich an ihnen vorbei.
    »Was ist mit dieser Sophia Fuchs?«, fragte Denise laut. »Wo könnte ich noch nach ihr suchen?«
    »Diese Sophia … wie war ihr Name genau?«
    »Sophia Fuchs. Ich habe niemanden mit diesem Namen im Telefonbuch gefunden.«
    »Fuchs ist kein polnischer Name«, erklärte Kadow. »Vielleicht hieß sie Lisowska. Lisowska ist die polnische Übersetzung für Fuchs. Und Sophia, das ist Zofia. Die Deutschen haben oft polnische Namen übersetzt.«
    »Sie meinen, sie hieß eigentlich Zofia ...?«
    »Lisowska.«
    »Dann muss ich nach diesem Namen suchen.« Denise fühlte die Hoffnung zurückkommen. »Können wir den Plan und das Foto kopieren?«
    »Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte Kadow. »Unten ist eine Cafeteria. Dort können Sie einen Kaffee trinken. Warten Sie auf mich. Ich kenne hier jemanden, der mir helfen wird.«
    Sie gingen zusammen die Treppe hinunter. Sie nahm den Kaffee mit an den einzigen freien Tisch. Sie war noch immer verwirrt. Nein, nicht verwirrt. Die Fakten waren schließlich klar. Ihre Großeltern waren Nazis gewesen. Ende. Der Entführer hatte sie zu dieser Erkenntnis geführt. Doch es führte sie nicht zu Frederik. Vielleicht war der Zeitpunkt da, Myriam anzurufen. Sie konnte es nicht alleine schaffen.
    Und wieder der Gedanke: Das kann nicht alles sein. Ihr Sohn konnte nicht entführt worden sein wegen einiger Pläne. Nein. Es gab noch etwas anderes. Ein Verbrechen, das größer war, und gleichzeitig dachte sie, wie der Wert eines Verbrechens sank, wenn ein anderes geschah. In ihren Augen war es geradezu harmlos, Menschen aus ihren Häusern zu vertreiben, ein Stadtviertel abzureißen, um eine neue Stadt zu bauen. Was war das gegen die Entführung eines Kindes?
    »Kommen Sie.« Eine Hand griff nach ihrer Schulter. Sie erschrak und drehte sich um. Kadow stand vor ihr.
    »Haben Sie die Pläne?«
    »Später«, sagte er. »Mir ist etwas

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