Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wintermörder - Roman

Titel: Wintermörder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
Vom Netzwerk:
sie keinen Alkohol trank. Einfach, weil sie dachte, dass es einen Grund dafür gab, dass er im Taxi Wodka verkaufte. Es war das zweite Standbein seiner Existenz, denn auf einem Bein konnte er nicht stehen und seine Familie schon gar nicht. Doch sie hatte Olivers Miene angesehen, dass er es auf keinen Fall tolerieren würde. Sie hatten es nicht nötig, in einem Taxi Wodka zu kaufen. Also hatte sie freundlich gelächelt und den Kopf geschüttelt.
    Frederik saß die ganze Zeit steif neben ihr. Es war das erste Mal, dass sie ihn zu einem offiziellen Geschäftstermin mitnahmen. Er war aufgeregt. Unaufhörlich richtete er die Krawatte gerade wie Oliver, wenn er nervös war.
    Fast hätte Oliver das Klingeln des Handys überhört, so laut schrillten die Sirenen über die Stadt. An seinem Gesichtsausdruck konnte sie erkennen, dass etwas passiert war.
    »Ich bin gleich da«, hatte er gesagt, wobei er die Kieferknochen fest aufeinanderpresste, bis sie sich unter den Wangen abzeichneten.
    Frederik, der die ganze Zeit aus dem Fenster gestarrt hatte, wandte sich seinem Vater zu. Er spürte, dass etwas nicht in Ordnung war. »Was ist los?«, fragte er, doch Oliver gab ihm keine Antwort. Stattdessen wandte er sich an den Taxifahrer und sagte auf Englisch: »More quickly, please.«
    Der Taxifahrer bemühte sich, schneller zu fahren, doch der Verkehr geriet ins Stocken. Von hinten waren die Sirenen mehrerer Feuerwehrwagen zu hören. Im Auto herrschte Schweigen. Niemand rührte sich. Denise sah durch die Frontscheibe, wie sich die schwarze Rauchwolke am Himmel ausbreitete und rasend schnell zu einer schwarzen Hülle wurde, die die Stadt einhüllte.
    Noch immer hielt Oliver das Handy am Ohr. Der Schweiß rann ihm das Gesicht herunter. »Geht es nicht schneller«, fuhr er den Taxifahrer an, der daraufhin mit den Schultern zuckte, unter den Sitz fasste und eine blaue Lampe hervorzog, die er anschließend auf dem Dach positionierte. Innerhalb von Sekunden verwandelte sich das Taxi in eine Zivilstreife, sodass sie wenige Minuten später den Rand des Viertels erreichten, in dem das neue Einkaufszentrum lag. Es brannte bereits lichterloh. Zweihundert Meter vor dem Gebäude wurde der Taxifahrer von der Polizei gestoppt. Feuerwehr- und Polizeiwagen versperrten den Weg. Vor ihnen erhoben sich die Flammen, gegen die die Feuerwehrleute kämpften. Sie hörte Menschen rufen. Immer mehr Löschwagen rückten an. Die Wasserwerfer der Feuerwehr wirkten lächerlich gegen die Macht der Flammen.
    Der Taxifahrer schrieb den Fahrpreis auf einen Zettel. Doch Oliver hatte den Wagen bereits verlassen. Durch das Fenster sah Denise, wie er auf den brennenden Gebäudekomplex zurannte. Sie wusste nicht mehr, wie sie ausgestiegen war, wie sie, Frederik an der Hand, bis zum Gebäude gekommen waren.
    Es war Hochsommer. Sie trug ein weißes Leinenkleid, das sie später wegwerfen musste, weil Funken kleine schwarze Löcher in den Stoff gebrannt hatten. Niemand hinderte sie daran, weiterzugehen. Sie konnte kaum atmen vor Rauch. Die Hitze brannte auf ihrem Gesicht, und die Hände fühlten sich an, als lägen sie auf einem Grill. Rauchschwaden trieben durch die Luft. Der Himmel wurde verdunkelt von Glutfetzen, die wie riesige brennende Vögel aussahen. Denise glaubte, ihr Flattern zu hören, als sie sich in großen Schwärmen Richtung Weichsel bewegten.
    Plötzlich ein Knall wie eine Explosion. Feuerwehrleute rannten vom Gebäude weg und schrien ihr etwas zu. Einer von ihnen riss sie mit sich.
    Aus den Augenwinkeln sah sie Frederiks Haare rot im Feuerschein leuchten.
    »Lauf«, rief sie, »du schaffst es!«
    Er nickte, und sie hörte ihn keuchen, während er, ihre Hand fest umklammert, neben ihr herrannte.
    Als sie einen Blick zurückwarf, sah sie, wie die Glasscheiben der Fassade platzten. Eine nach der anderen. Wie ein Dominospiel.
    Es war ein Inferno.
    Es war die Hölle.
    Das ganze Stadtviertel schien zu brennen.
    Wie hatte sie das nur vergessen können? Schon als das erste Mal der Name Krakau fiel, hätte sie daran denken müssen. Was war danach geschehen? Denise versuchte, sich zu erinnern. Es hatte Probleme mit der Versicherung gegeben, bei denen es um die Brandursache ging. Mehr wusste sie nicht.
    Sie fand den Wodka ganz hinten im Eisfach des Kühlschrankes. Warum hatte der Taxifahrer auf sie gewartet? War es Neugierde gewesen? Mitleid? Besorgnis? Oder einfach nur polnische Geschäftstüchtigkeit? Tatsache war, dass der Fahrer ausstieg, ihr die Tür zur

Weitere Kostenlose Bücher