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Wintermörder - Roman

Titel: Wintermörder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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und Seele Ermittler.
    »Sie müssen wissen, der Typenbestand einer Schreibmaschine ist nicht veränderbar.« George wechselte wieder ins Hochdeutsche. »Daher kann man den Typ anhand der Schriftart, des Abnutzungsgrades und des Alters identifizieren. Es handelt sich in jedem Fall um ein altes Modell. Ich tippe auf eine Adlerschreibmaschine, wie sie in den dreißiger und vierziger Jahren in Gebrauch war. Wenn wir noch das Alter des Papiers berücksichtigen, dann erscheint dies noch wahrscheinlicher.«
    Fischer stand bereits wieder. »Wir suchen nach einem Kind. Begreift das denn hier keiner? Ein Kind. Sieben Jahre. Doch wir verschwenden Zeit damit, Spuren zu sammeln. Spuren, Spuren, Spuren. Haben bereits genügend, um den Täter vor Gericht stellen zu können. DNA, Fußabdrücke, Fingerabdrücke, Speichelproben, jetzt auch noch Schrift. Aber sind wir ihm deshalb einen Schritt nähergekommen? Nein. Denn wisst ihr, was er macht? Er spuckt uns die Beweise ins Gesicht. Er kotzt sie uns vor die Füße, er scheißt uns zu damit. Wir aber sitzen in diesem Haufen und freuen uns noch darüber. Was ist mit dem Jungen, den er in seiner Gewalt hat?«
    »Verlier nicht die Nerven«, sagte Liebler. »Diese Arbeit ist wichtig. Das weißt du. Weil wir nicht wissen, ob uns nicht doch eine Spur, die jetzt unwichtig erscheint, zu ihm führt.«
    Ron Fischer machte eine abweisende Handbewegung.
    »Mein Gott, Ron. Setz dich! Wir haben nichts anderes! Lass uns gemeinsam die Geschichte rekonstruieren, so gut wir können«, mischte sich Hannah Roosen ein. »Alles kann wichtig sein. Auch die Tatsache, dass das Zitat von einem Mann auf einer alten Schreibmaschine getippt wurde.« Sie wandte sich Myriam zu: »Aber warum gerade dieses Zitat? Es stammt aus dem römischen Recht oder, Frau Singer?«
    »Es meint, dass die Gerichtsverhandlung dort stattfinden muss, wo das Verbrechen begangen wurde«, bestätigte Myriam.
    »Er spricht von einer Verurteilung! Vom Tatort! Er will uns sagen, dass er Henriette Winkler zum Tode verurteilt und das Urteil vollstreckt hat. Herr George hat Recht. Aus dieser klitzekleinen Botschaft, die er Henriette Winkler in die Hand gedrückt hat, spricht Verbitterung. Verbitterung, die zu Hass und Rachegedanken führt.«
    »Schreibmaschine, Tippfehler, Psychologie hin oder her«, erklärte Liebler. »Was aber hat die alte Frau getan, dass sie diese Strafe verdiente?«
    »Nennen wir es beim Namen«, sagte Hannah Roosen. »Es geht um den Zweiten Weltkrieg, das Dritte Reich, den Faschismus in Deutschland.« Sie beugte sich nach vorne, sah Myriam, vor allem ihr, eindringlich in die Augen. »Es geht um die Frage, inwieweit Oskar Winkler verstrickt war. Um die Frage, was er im Krieg gemacht hat. Welchen Kontakt hatte er zu Hans Frank, einem später zum Tode verurteilten Kriegsverbrecher? Was hat Oskar Winkler in Krakau gemacht? Welchen Anteil hatte Henriette Winkler daran? Wenn wir das wissen, dann finden wir auch den Jungen.«
    »Was macht euch so sicher, dass er noch lebt?«, fragte Fischer.
    »Nichts außer der Hoffnung«, antwortete Liebler. »Mann, diese Frage stelle ich mir nicht. Ich gehe davon aus, dass er lebt. Ende.«
    »War Oskar Winkler Parteimitglied?«, erkundigte sich Hannah Roosen.
    »Eintritt am 1. April 1931 mit der Mitgliedsnummer 508889. Seine Frau Henriette folgte ihm nur zwei Monate später.«
    »Irgendwelche Ämter in der Partei?«
    Liebler schüttelte den Kopf. »Darüber ist nichts bekannt.«
    »Vermutlich der klassische Mitläufer«, bemerkte Hannah, die wegen ihrer eindringlichen Art Myriam langsam sympathisch wurde.
    »Natürlich hat er sich als Unternehmer Vorteile versprochen«, sagte sie, um wenigstens irgendetwas zu erklären. Das Unerklärliche erklären. Wie oft hatte sie es schon vergeblich versucht.
    »Was sonst?«, bemerkte Fischer.
    »Krakau. Polen. Was hat er da gemacht?« Hannah Roosen schaute fragend in die Runde.
    »Hans Frank getroffen?« Myriam zuckte mit den Schultern.
    »Warum?«, fragte Liebler.
    »Vielleicht sollte er im Auftrag von Frank etwas bauen. Hat der nicht einige Gebäude auf der Burg abreißen lassen? Sich ein Kino gebaut? Einen Swimmingpool? Philipp hat mir heute Morgen davon erzählt«, erklärte Hannah Roosen.
    »Wo ist das Foto?«, fragte Myriam.
    Liebler zog es aus einem Ordner und reichte es ihr.
    »Überlegen wir doch einmal«, forderte Myriam. »Die beiden stehen auf dem Wawel. Der liegt im Zentrum Krakaus. Worauf schauen die beiden?«
    Niemand antwortete, denn

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