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Wintermörder - Roman

Titel: Wintermörder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Schuhe.
    Sobald Frau Hirschbach in der Küche verschwand, stand Liebler blitzschnell auf. Entsetzt verfolgte Myriam, wie er Schranktüren öffnete, Schubladen aufzog. »Sind Sie verrückt geworden? Was machen Sie denn?«
    »Ich verschaffe mir einen Überblick.«
    »Sie können nicht so einfach hier herumschnüffeln ohne Durchsuchungsbefehl.«
    »Aber Sie können ihn mir doch jederzeit ausstellen«, antwortete er ungerührt. »Deshalb habe ich Sie ja mitgenommen.«
    Die Schrankwand war aus demselben Holzfurnier wie die im Flur. Eiche gebürstet. Hinter Glas drei Bildbände. Schlesien, Breslau, Frankfurt … und jede Menge Fotos.
    »Ordnung ist das halbe Leben«, murmelte Liebler und nahm eines der Fotos in die Hand. »Schauen Sie.«
    Das Foto zeigte Frederiks Taufe. Im Vordergrund Oliver Winkler neben Denise, die das Baby auf dem Arm trug. Dahinter Oskar und Henriette Winkler sowie Carl mit seiner Frau. Frau Hirschbach stand direkt zwischen Henriette Winkler und Carl. In ihrem schwarzen Kleid unverkennbar eine Dienstbotin, dennoch hatte es etwas Liebevolles an sich, wie Carl Winklers Hand auf ihrer Schulter lag.
    »Sie gehört ganz offensichtlich zur Familie«, meinte Liebler. »Und damit weiß sie mehr, als sie zugibt.«
    Als sie Frau Hirschbach im Flur hörten, waren sie sofort wieder auf ihren Plätzen. Der Kater miaute laut auf seinem Sofa.
    »Na, willst du mir etwas erzählen?« Frau Hirschbach stellte das Tablett auf den Wohnzimmertisch und strich dem Kater kurz über den Rücken. Dann goss sie Tee ein. Die erste Tasse reichte sie Liebler.
    »Vielen Dank«, sagte er. »Das tut gut.«
    Er nahm drei Löffel Zucker und rührte ewig herum. Er war kein Teetrinker, hatte er in ihrer Wohnung gesagt, doch hatte er in Frau Hirschbach sofort dieselbe erkannt. Das Porzellan zitterte in ihrer Hand, unsicher stellte sie die Tasse ab. Ihre Hände lagen nun im Schoß, die Finger verkrampften sich ineinander. Die Haut war so dünn, dass Myriam befürchtete, sie könnte reißen.
    Als der Kater auf Myriams Schoß sprang und sich eine Liegeposition zurechttrat, überlegte sie, ob sie eine Allergie erfinden sollte, doch Lieblers Blick befahl ihr durchzuhalten.
    »Ihr Vorname«, begann er in lockerem Konversationsstil, »ist Josefa, oder?«
    Frau Hirschbach nickte.
    »Ein schöner Name. Heute ist er selten. Mein Vater kommt ja aus Österreich. Da gibt es ihn noch häufiger.«
    »Wie in Schlesien«, antwortete die Hirschbach. »Die Schlesier und die Österreicher haben viel gemeinsam.«
    Das war Myriam neu.
    »Sie stammen aus Breslau?«, wollte sie wissen.
    »Ja. Leider war ich nie wieder dort. Mein Vater hatte dort eine Gaststätte.«
    »Können Sie sich überhaupt noch daran erinnern? Sie waren doch höchstens sieben, als Sie fliehen mussten.« Liebler beugte sich interessiert nach vorne.
    Die alte Frau lachte verlegen. »Ich bin Jahrgang 1930, also schon fünfundsiebzig.«
    »Das sieht man Ihnen nicht an, gnädige Frau«, sagte Liebler. Er schaffte es doch tatsächlich, einen leicht österreichischen Akzent zu imitieren. Die Katze auf Myriams Schoß schnurrte.
    »Und Sie arbeiten noch immer für die Winklers? Warum? Bekommen Sie keine Rente?«
    »Nach so vielen Jahren«, antwortete die Hirschbach leiser werdend, »da kann ich doch die Familie nicht einfach im Stich lassen.«
    »Wie lange genau sind Sie für die Familie Winkler tätig?« Liebler beugte sich verständnisvoll nach vorne.
    »Seit sechzig Jahren.«
    »Sechzig Jahre?«, wiederholte Myriam. »Das ist eine lange Zeit. Kein Wunder, dass der Tod von Frau Winkler Sie mitgenommen hat.«
    »In so vielen Jahren«, fügte Liebler hinzu, »da wächst man zusammen.«
    »Ich war noch sehr jung, als ich in ihren Haushalt kam. Vierzehn.«
    »Sie sind 1945 nach Frankfurt gekommen?«
    »Ja.«
    »Aus Breslau?«
    »Ja.«
    »Dort haben Sie sicher andere Winter erlebt? Mit viel Schnee. Schlittenfahrten. Können Sie sich noch daran erinnern?«
    Frau Hirschbach antwortete nicht, stattdessen traten ihr die Tränen in die Augen.
    »Wie kamen Sie zur Familie Winkler?« Liebler nahm die Tageszeitung in die Hand, die auf dem Tisch lag, und schlug wie zufällig die Seite mit dem Bericht über die Vergangenheit der Familie Winkler auf.
    Frau Hirschbachs Stimme zitterte, als sie antwortete. »Wir wurden dort einquartiert und haben im Gartenhäuschen gewohnt. Meine Mutter, meine beiden Geschwister und ich. Dafür habe ich Frau Winkler geholfen.«
    »Wie geholfen?«
    »Carl war gerade erst wenige

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