Wintermörder - Roman
führen nach Rom und vielleicht auch zu Frederik. Ich verstehe, dass Sie ungeduldig sind, aber glauben Sie mir, wir werden ihn finden.«
»Sie sind jemand, der allzu leicht Versprechen gibt.«
»Die ich in der Regel halte.«
Für einen Moment glaubte Myriam, er würde ihre Hand nehmen, doch stattdessen tippte er sich zum Abschied mit dem Zeigefinger an die Stirn und sagte: »In einer Stunde im Präsidium. George ist Schweizer und hasst Unpünktlichkeit.«
Nach dem Gespräch mit Liebler war Myriam auf wundersame Weise voller neuer Energie. Ihr erster Anruf galt dem No-tar, der sich jedoch in einer Besprechung befand. Sie bat die Sekretärin, dass er sie dringend zurückrufen sollte.
Dann rief sie Cordula, ihre Sekretärin, in der Geschäftsstelle an: »Verschieben Sie die Termine für die nächsten Tage.«
»Wie soll ich das denn machen?«
»Verschieben Sie sie einfach. Bis zum Wochenende hat der Fall Winkler absoluten Vorrang.«
»Was ist mit dem Albaner am Montag?«
»Bleibt.«
»Und wenn Hillmer …?«
»Schicken Sie ihn zu mir.«
»Sie haben gut reden.«
»Es steht zu viel auf dem Spiel«, erklärte Myriam. »Sagen Sie ihm das.«
Sobald sie aufgelegt hatte, klingelte das Telefon bereits erneut.
»Ich bin fertig«, hörte sie Henning Veit. »Die alte Dame kann in ihre Gruft.«
»Soll ich sagen, schön?«
»Danke, könnten Sie sagen. Die Knochen waren übrigens ein einziger Trümmerhaufen. Der Bestatter wird Probleme haben, sie einigermaßen gerade aussehen zu lassen.«
»Die Details interessieren mich nicht«, erwiderte Myriam und legte auf, um sofort Carl Winklers Nummer zu wählen, der bereits vom Bestatter benachrichtigt worden war. Die Beerdigung sollte am Donnerstag um dreizehn Uhr dreißig auf dem Frankfurter Hauptfriedhof stattfinden.
»Wie geht es Denise?«, fragte Myriam.
»Sie schläft nicht«, antwortete Carl Winkler.
Trotz Lieblers Warnungen kam Myriam eine halbe Stunde zu spät. Dennoch betrat sie den engen Besprechungsraum ohne Hektik, obwohl dort vier Leute ungeduldig auf sie warteten.
»Die ermittelnde Staatsanwältin Myriam Singer«, stellte Liebler sie vor und deutete anschließend auf einen kleinwüchsigen Mann mit grauem vollem Haar und weißem Bart. Dieser Blick hinter der Brille mit den runden Gläsern erinnerte sie an jemanden.
»Herr George aus Zürich, der graphologische Experte.«
Wie er ihre Hand hochnahm, um sie zu küssen, gehörte er zu einer aussterbenden Art. Über kurz oder lang würde er im Kriminalmuseum der Züricher Kantonspolizei landen.
Gereizt stellte Myriam fest, wie sich Lieblers Hand vertraut auf die Schulter der hübschen Frau neben ihm legte.
Sie trug ein braunes Tweedkostüm Marke English Tea Time und dazu einen rosa Kaschmirpulli, der ihr ausnehmend gut stand. Die korrekte Kleidung wurde durch die Locken, die sie hochgesteckt hatte, aufgelockert.
»Außerdem habe ich Hannah Roosen von der psychologischen Sonderkommission hinzugebeten.«
Myriam nickte der Psychologin zu und nahm neben Fischer Platz, dessen Gesicht diesen Ausdruck von Geistesabwesenheit hatte wie das ganze letzte Jahr. Er beachtete sie nicht.
Die gereizte Stimmung im Raum entging ihr nicht, doch sie beschloss, sie zu ignorieren, indem sie die erste Frage stellte: »Haben Sie etwas, das uns dem Täter oder dem Entführungsopfer näherbringt? Wenn nicht, genügt wohl ein kurzes Statement.«
»Hören Sie erst einmal zu, was Herr George zu sagen hat«, sagte die Roosen.
»Deshalb bin ich ja hier«, erwiderte Myriam.
Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, begann Herr George mit seinen Ausführungen, in denen er erläuterte, dass das Typenfeld einer Schreibmaschine bereits in vielen Rechts- und Kriminalfällen zum Täter geführt hatte. Zu berücksichtigen waren jedoch auch die persönlichen Einflüsse des Schreibers, seine Gewohnheiten, seine Impulse. Nicht nur die Handschrift, sondern auch die Maschinenschrift verschiedener Menschen war unterschiedlich.
In dem überheizten Raum wurden alle augenblicklich von Müdigkeit überfallen. Nicht nur Myriam hatte das Bedürfnis zu gähnen. Fischers Augenringe verdunkelten seinen Blick wie ein Rollo. Das ganze Polizeipräsidium nannte ihn neuerdings
Herr der Ringe
.
Ungeduldig schaute Myriam auf ihre Armbanduhr. »Sie können also eine Aussage darüber treffen, um welche Art von Maschine es sich handelt?«
»Bis zu einem gewissen Grad. Bei der Ursprungsmaschine hier handelt es sich um ein Stoßstangensystem. Die Linienführung
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