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Wintermörder - Roman

Titel: Wintermörder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Sie die Umschläge weggebracht?«
    »Erst in letzter Zeit.«
    »Einmal, zweimal, dreimal?«
    »Vielleicht dreimal.«
    »Was denken Sie, was in den Umschlägen war?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wirklich nicht? Frau Winkler ist tot. Sie kann Ihnen nicht mehr drohen.«
    Die alte Frau sagte nichts.
    Der Kater strich um Lieblers Beine. Als dieser sich hinabbeugte, um ihn zu streicheln, begann er friedlich zu schnurren.
    »Hat sie Ihnen gedroht?«, fragte der Hauptkommissar und hob den Kopf.
    »Das musste sie nicht.«
    »Hatten Sie Angst vor ihr?«
    »Nicht mehr.«
    »Was meinen Sie damit? Dass Sie am Anfang Angst vor ihr hatten?«
    »Damals hatte ich vor allem Angst. Ich war in Dresden dabei. Verstehen Sie. Die Frauenkirche stürzte vor meinen Augen ein. Wir waren erst einen Tag vorher in die Stadt gekommen.«
    »Was also glauben Sie, war in diesen Umschlägen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sie wissen es vielleicht nicht, aber vielleicht haben Sie sich Gedanken darüber gemacht? Überlegungen angestellt?«
    Frau Hirschbach brach in Tränen aus. »Vielleicht«, sagte sie schließlich, »diese Briefe.«

18
    Myriam Singer musste feststellen, dass der Arm des Gesetzes zu kurz war, um die Dinge in der Kanzlei von Herrn Dr. Conradi in Bewegung zu bringen: Er hatte nicht zurückgerufen, und ihre Geduld war am Ende. Sie griff zum Telefonhörer. Entweder war seine Sekretärin fehl am Platz, oder Conradi ignorierte sie mit Absicht.
    »Staatsanwaltschaft. Myriam Singer am Apparat. Ich möchte sofort Herrn Conradi sprechen.«
    »Herr Dr. Conradi ist leider …«
    »Sie brauchen das nicht zu wiederholen wie ein Mantra. Wir sind keine Buddhisten, sondern deutsche Juristen. Hier geht es um Mord. Um Entführung. Alles, was jetzt nicht von Ihrer Kanzlei unternommen wird, werte ich als unterlassene Hilfeleistung.«
    Die Sekretärin war klug genug, das Gespräch weiterzuverbinden.
    Während sie wartete, streckte Cordula den Kopf zur Tür herein.»Ich bestelle Sushi. Wollen Sie auch?«
    Myriam schüttelte den Kopf, doch bevor Cordula die Türe schloss, revidierte sie ihre Meinung. »Oder doch, es ist schließlich egal, was ich esse.«
    Am anderen Ende des Telefons endlich die Stimme eines Mannes.
    »Conradi.«
    »Staatsanwaltschaft Frankfurt, Myriam Singer. Sie sollten Ihr Personal besser instruieren, was Staatsanwaltschaft bedeutet.«
    »Mein Personal ist ausreichend geschult, machen Sie sich keine Sorgen. Was kann ich für Sie tun?«
    »Zum Beispiel zurückrufen.«
    »Bis jetzt war noch keine Zeit dafür.«
    »Aber hier geht es um Zeit, verstehen Sie. Nicht um Tage, nicht um Stunden, nicht um Minuten, sondern Sekunden, denn das Leben eines Kindes steht auf dem Spiel. Warum, verdammt noch mal, halten Sie es nicht für nötig, mich zurückzurufen? Sie arbeiten doch seit vielen Jahren für die Familie Winkler. Haben Sie kein Interesse, ihnen zu helfen?«
    »Im Moment scheinen nur Sie meine Hilfe zu benötigen. Vielleicht sagen Sie einfach, was Sie wollen.«
    »Weshalb haben Sie sich noch nicht an uns gewandt wegen des Testamentes von Frau Winkler?«
    »Es ist zwei Tage her, seit Frau Winkler verstorben ist. Ich wurde erst gestern über den Todesfall informiert.«
    »Lesen Sie keine Zeitung?«
    »Die Dinge gehen ihren Gang.«
    »Ja, unter normalen Umständen, aber die haben wir hier nicht.«
    »Das Testament liegt hier. Die Eröffnung kann erst nach der Bestattung erfolgen.«
    »Das ist zu spät!«
    »Warum sollte Ihnen das Testament bei den Ermittlungen weiterhelfen?«
    »Weil ich es sage.«
    »Die Staatsanwaltschaft hat noch nie unter mangelndem Selbstbewusstsein gelitten.« Das Lachen am anderen Ende verriet Arroganz.
    »Wir haben außerdem Kenntnis davon, dass Frau Winkler weitere Unterlagen bei Ihnen hinterlegt hat.«
    »Sie meinen Firmenverträge? Verkaufsurkunden? Das ist richtig.«
    »Nein, ich meine persönliche Unterlagen. Briefe oder Ähnliches.«
    »Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben.«
    »Natürlich können Sie das. Sagen Sie einfach, ob es stimmt.«
    Das Schweigen am anderen Ende sprach Bände. Er versuchte, Zeit zu gewinnen. Er war jemand, der Strategien verfolgte, klug taktierte und seine Entscheidungen nicht dem Zufall überließ.
    »Ich muss mich in dieser Sache auf mein Zeugnisverweigerungsrecht berufen«, meinte er schließlich.
    »Auch wenn Ihre Mandantin tot ist?«
    »Das ändert nichts, nur Henriette Winkler könnte mich davon befreien, und sie ist verstorben, wie Sie wissen.«
    »Was ist mit den

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