Wintermond
einem Auge. »Der ist direkt auf mich zugeflogen«, sagte Toby, »wusch! ich dachte schon, er würde durch die Scheibe knallen. Was macht er da?«
»Vielleicht sucht er Würmer oder zarte kleine Käfer.«
»Ich seh' doch nicht aus wie ein Käfer.«
»Vielleicht hat er die Schnecken in deinen Ohren gesehen«, sagte sie und kehrte zur Speisekammer zurück. Während Toby seiner Mutter half, den Tisch zum Frühstück zu decken, blieb die Krähe am Fenster sitzen und beobachtete sie.
»Der muß doch blöd sein«, sagte Toby, »wenn er glaubt, daß wir hier drin Würmer und Käfer haben.«
»Vielleicht ist er vornehm und zivilisiert und hat gehört, daß ich >Cornflakes< gesagt habe.«
Während sie die Cornflakes in Schüsseln füllte, blieb die große Krähe am Fenster, putzte sich gelegentlich das Gefieder und beobachtete die beiden aus pechschwarzen Augen. Jack kam pfeifend die Treppe hinab, durch die Diele und in die Küche. »Ich bin so hungrig«, sagte er, »daß ich ein Pferd essen könnte. Kriegen wir Eier und Pferd zum Frühstück?«
»Wie wär's mit Eier und Krähe?« fragte Toby und zeigte auf den Besucher.
»Das ist aber ein fettes Prachtexemplar, was?« sagte Jack, ging zum Fenster und bückte sich, um den Vogel genauer in Augenschein zu nehmen.
»Mom, sieh doch! Dad macht einen Starr-Wettbewerb mit einem Vogel«, sagte Toby amüsiert.
Jacks Gesicht war keine drei Zentimeter von der Fensterscheibe entfernt, und der Vogel fixierte ihn mit einem tintenschwarzen Auge. Heather nahm vier Scheiben Brot aus dem Beutel, ließ sie in den großen Toaster fallen, stellte die Zeit ein, sah auf und stellte fest, daß Jack und die Krähe sich noch immer anstarrten.
»Ich glaube, Dad wird verlieren«, sagte Toby.
Jack klopfte direkt vor der Krähe mit der Fingerspitze gegen die Fensterscheibe, doch der Vogel zuckte nicht einmal.
»Frecher kleiner Teufel«, sagte Jack.
Mit einem blitzschnellen Zustoßen des Kopfes schlug der Vogel den Schnabel direkt vor Jacks Gesicht so hart gegen das Glas, daß der Knall Jack erschreckte und er einen Rückwärtsschritt machte, der ihn in seiner Hockstellung aus dem Gleichgewicht brachte. Er fiel mit dem Hintern auf den Küchenboden. Der Vogel sprang mit einem kräftigen Flügelschlag von der Scheibe zurück und verschwand im Himmel. Toby lachte schallend auf. Jack kroch auf Händen und Knien hinter ihm her. »Das war lustig, was? Ich werd' dir zeigen, was lustig ist, ich zeig' dir jetzt die berüchtigte chinesische Kitzelfolter.«
Heather lachte ebenfalls. Toby jagte zur Küchentür hinaus, drehte sich um, sah, daß Jack ihm folgte, und lief kichernd und vor Freude kreischend in ein anderes Zimmer.
»Hab' ich's hier mit einem kleinen jungen zu tun oder mit zweien?« rief Heather ihrem Mann nach, als er in der Diele verschwand.
»Mit zweien l« erwiderte er.
Der Toast sprang hoch. Sie legte die vier knusprigen Scheiben auf einen Teller und steckte vier weitere in den Toaster. Aus dem vorderen Teil des Hauses kam lautes Gekicher und verrücktes Geschnatter. Heather ging zum Fenster. Der Knall, mit dem der Schnabel des Tieres auf das Glas geschlagen hatte, war so laut gewesen, daß sie halbwegs damit rechnete, einen Sprung in der Scheibe zu sehen. Doch das Glas war unversehrt geblieben. Auf der Fensterbank lag eine einzelne schwarze Feder und schaukelte sanft in einer Brise, die sie nicht ganz aus ihrer geschützten Nische pflücken und davonwehen konnte. Sie drückte das Gesicht gegen die Scheibe und sah zum Himmel hinauf. Hoch in dem blauen Gewölbe zog ein einsamer dunkler Vogel einen engen Kreis, immer und immer wieder. Er war zu weit weg, daß Heather hätte sagen können, ob es sich um dieselbe Krähe oder einen anderen Vogel handelte.
SIEBZEHNTES KAPITEL
Sie hielten am Sportgeschäft Mountain High an und kauften zwei Schlitten (breit, flache Kufen, Kiefernholz mit Polyurethari-Lack; über die Mittelteile verliefen rote Blitze) und gepolsterte Skianzüge, Stiefel und Handschuhe für alle. Toby sah einen großen Frisbee, der so lakkiert war, daß er wie ein gelbes UFO aussah, mit Luken am Rand und einer niedrigen roten Kuppel auf dem Oberteil, und sie kauften auch den. An der Union 76 tankten sie den Wagen auf, und dann machten sie sich an eine Marathon-Einkaufsexpedition
in den Supermarkt. Als sie um Viertel nach eins zur QuartermassRanch zurückkehrten, war nur noch das östliche Drittel des Himmels blau. Graue Wolkenmassen drängten sich über den Bergen, getrieben
Weitere Kostenlose Bücher