Wintermond
von einem scharfen Höhenwind - wenngleich auf dem Boden nur eine gelegentliche Brise in den Nadelbäumen und dem braunen Gras raschelte. Die Temperatur war unter den Gefrierpunkt gefallen, und die Genauigkeit des Wetterberichts offenbarte sich durch die kalte, feuchte Luft. Toby ging augenblicklich auf sein Zimmer, zog den neuen, roten und schwarzen Skianzug und die Stiefel und Handschuhe an. Er kehrte mit dem Frisbee in die Küche zurück und erklärte, daß er draußen spielen und darauf warten wollte, daß es zu schneien begann. Heather und Jack packten noch immer Lebensmittel aus und räumten die Vorräte in die Speisekammer. »Toby, Schatz«, sagte sie, »du hast noch nichts gegessen.«
»Ich hab' keinen Hunger. Ich nehm einfach ein Rosinenbrötchen mit.«
Sie unterbrach ihre Tätigkeit, um die Kapuze von Tobys Jacke hochzuziehen und unter seinem Kinn zu verknoten. »Na schön, aber bleib nicht zu lange an einem Stück draußen. Wenn dir kalt wird, kommst du rein und wärmst dich auf, und dann gehst du wieder raus. Wir wollen doch nicht, daß dir die Nase abfriert und vom Gesicht fällt.« Sie kniff zärtlich in sein Näschen. Er sah so süß aus. Wie ein Gartenzwerg.
»Wirf den Frisbee nicht auf das Haus«, warnte Jack ihn.
»Wenn du eine Fensterscheibe zerbrichst, zeigen wir keine Gnade. Wir rufen die Polizei und lassen dich in das Staatsgefängnis von Montana für geistesgestörte Verbrecher einweisen.«
»Und geh nicht in den Wald«, sagte Heather, als sie Toby das Rosinenbrötchen gab.
»Klar.«
»Bleib auf dem Hof.«
»Mach ich.«
»Ich meine es ernst.« Der Wald beunruhigte sie. Das hatte nichts mit ihren kürzlichen irrationalen Paranoiaanfällen zu tun. Es gab gute Gründe, vor dem Wald auf der Hut zu sein. Wilde Tiere zum Beispiel. Und Stadtmenschen wie sie konnten schon nach dreißig, vierzig Metern im Wald die Orientierung verlieren und sich verlaufen. »Im Staatsgefängnis von Montana für geistesgestörte Verbrecher gibt es kein Fernsehen, keine Schokomilch und keine Kekse.«
»Okay, okay. Herrje, ich bin doch kein Baby.«
»Nein«, sagte Jack, während er Dosen aus einer Einkaufstüte nahm. »Aber für einen Bären bist du eine leckere Zwischenmahlzeit.«
»Gibt es Bären im Wald?« fragte Toby.
»Gibt es Vögel im Himmel?« fragte Jack. »Fische im Meer?«
»Also bleib auf dem Hof«, ermahnte Heather ihn. » Wo ich dich sehen und sofort rufen kann.«
Als sie die Hintertür öffnete, drehte Toby sich zu seinem Vater um. »Du bist besser auch vorsichtig.«
»Ich?«
»Wenn dieser Vogel zurückkommt, setzt du dich vielleicht wieder auf den Hintern.«
Jack tat so, als wolle er ihm die Dose Bohnen an den Kopf werfen, die er in der Hand hielt, und Toby lief kichernd aus dem Haus. Die Tür fiel hinter ihm um. Nachdem sie ihre Einkäufe verstaut hatten, ging Jack ins Arbeitszimmer, um sich Eduardos Büchersammlung anzusehen und sich einen Rornan zum Lesen auszusuchen, während Heather nach oben ins Gästezimmer ging, um ihre Computer aufzubauen. Sie hatten das Gästebett auseinander genommen und in den Keller gebracht. Die beiden Zwei-Meter-Klapptische, die zu den Gegenständen gehörten, die die Spedition gebracht hatte, standen nun in diesem Zimmer und bildeten eine L-förmige Arbeitsfläche. Sie hatte ihre drei Computer, die beiden Drucker, den Laserscanner und das weitere Zubehör bereits ausgepackt, bislang aber noch keine Gelegenheit gefunden, sie miteinander zu verbinden und einzustöpseln. Im Augenblick hatte Heather für diese hochwertige Computer-Power wirklich keine Verwendung. Sie hatte jedoch praktisch ihr gesamtes Berufsleben an Software und Programmen gearbeitet und kam sich wie unvollständig vor, wenn die Geräte noch in ihrer Verpackung herumstanden und nicht miteinander verkabelt waren, ob sie nun ein Projekt, bei dem sie die Computer benötigte, in Aussicht hatte oder nicht. Sie machte sich an die Arbeit, stellte die Geräte auf, verband die Monitore mit den Prozessoren, die Prozessoren mit dem Scanner, während sie zufrieden Elton-John-Songs mitsummte. Irgendwann würden sie und Jack die geschäftliche Möglichkeit erkunden und entscheiden, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen wollten. Bis dahin würde die Telefongesellschaft eine zweite Leitung gelegt haben, und sie konnte ein Modem anschließen. Sie konnte Datennetzwerke nutzen, um herauszufinden, welche potentielle Kundenzahl und Kapitaldecke die Firma, die sie gründen wollte, zum Erfolg benötigte, und
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