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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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mich gefragt, ob ich ihre Gehirne geöffnet habe. Eduardo schien damit zu rechnen, daß ich in diesem Fall außer der Schwellung noch etwas anderes gefunden hätte. Aber dem war nicht so. Dann hat er mich nach den Wirbelsäulen der Tiere gefragt, als wäre daran irgend etwas befestigt.«
    »Befestigt?«
    »Das klingt noch seltsamer, was? Er hat mich gefragt, ob ich ihr gesamtes Rückgrat untersucht und daran etwas gefunden hätte. Als ich ihn fragte, was er meinte, sagte er, es sähe vielleicht wie ein Tumor aus.«
    »Sähe aus.«
    Der Tierarzt wandte den Kopf nach rechts, um Jack in die Augen zu sehen, doch der betrachtete weiterhin die Landschaft Montanas. »Genauso hat er es gesagt. Eine komische Ausdrucksweise, was? Kein Tumor. Sieht vielleicht wie einer aus, ist aber kein richtiger Tumor.« Travis schaute wieder auf die Wiese hinaus. »Ich habe ihn gefragt, ob er mir etwas verschweige, aber er hat mir versichert, er hätte mir alles gesagt. Ich habe ihn gebeten, mich sofort anzurufen, wenn er noch einmal beobachtet, daß sich irgendein Tier – Eichhörnchen, Kaninchen, was auch immer - so seltsam wie diese Waschbären benimmt, aber das hat er nicht getan. Keine drei Wochen später war er tot.«
    »Sie haben ihn gefunden.«
    »Er ging nicht ans Telefon. Ich bin zu ihm gefahren, um nach ihm zu sehen. Da lag er, auf der Schwelle, und hielt die Schrotflinte noch umklammert.«
    »Er hatte nicht damit geschossen.«
    »Nein. Der Herzanfall hat ihn getötet.«
    Der Wind fuhr durch die Wiese, und das lange Gras kräuselte sich in braunen Wellen. Die Wiese erinnerte an eine unruhige, schmutzige See. Jack überlegte, ob er Travis erzählen sollte, was vor kurzem auf dem Friedhof passiert war. Aber es war schwierig, diese Erfahrung zu beschreiben. Er konnte die bloßen Ereignisse umreißen und den bizarren Wortwechsel zwischen ihm und dem Toby-Ding wiedergeben. Aber ihm fehlten die Worte - vielleicht gab es gar keine dafür -, die angemessen beschreiben könnten, was er gefühlt hatte, und diese Gefühle waren der Kern dieses verstörenden Erlebnisses. Er könnte nicht einmal einen Bruchteil der im wesentlichen übersinnlichen Natur der Begegnung klarmachen.
    »Irgendwelche Theorien?« fragte Jack, um sich Zeit zu verschaffen.
    »Ich vermute, daß vielleicht eine toxische Substanz damit zu tun hat. Ja, ich weiß, in dieser Gegend wird Industriemüll nicht gerade zuhauf abgekippt. Aber es gibt auch natürliche Gifte, die bei wilden Tieren Dementia auslösen können, und die Tiere benehmen sich dann fast so seltsam wie Menschen. Wie ist es mit Ihnen? Haben Sie irgend etwas Unheimliches gesehen, seit Sie hier sind?«
    »Ja, allerdings.« Jack war erleichtert, daß sie beide den Kopf so gegen den Wind hingezogen hatten, daß er dem Blick des Tierarztes ausweichen konnte, ohne dessen Argwohn zu erregen. Er erzählte Travis von der Krähe, die an diesem Morgen erst auf der Fensterbank gehockt und später über ihm und Toby gekreist hatte, während sie mit dem Frisbee gespielt hatten.
    »Seltsam«, sagte Travis. »Das könnte durchaus damit zusammenhängen. Andererseits ist dieses Verhalten nicht unbedingt bizarr, nicht einmal das Hacken gegen das Glas. Krähen sind manchmal verdammt dreist. Ist sie noch hier?«
    Sie stießen sich beide vom Rover ab und sahen in den Himmel. Die Krähe war verschwunden.
    »Bei diesem Wind«, sagte Travis, »suchen Vögel Schutz.« Er drehte sich zu Jack um. »Sonst noch etwas?«
    Diese Sache mit den toxischen Substanzen hielt Jack davon ab, Travis Potter etwas von dem Friedhof zu erzählen. Sie sprachen von zwei völlig verschiedenen Arten des Verderbens: Gift oder das Übernatürliche; toxische Substanzen oder Geister und Dämonen, die einem nachts eine Gänsehaut einjagten. Der Zwischenfall auf dem Friedhof war ein subjektives Erlebnis gewesen, mit dem sich rein gar nichts nachweisen ließ. Das galt um so mehr für das Verhalten der Krähe, das keinen Beweis für die Behauptung darstellte, daß auf der Quartermass-Ranch etwas unaussprechlich Seltsames vor sich ging. Jack hatte keinen Beweis dafür, daß der Zwischenfall auf dem Friedhof sich wirklich zugetragen hatte. Toby erinnerte sich nicht mehr daran und würde Jacks Geschichte nicht bestätigen können. Falls Eduardo Fernandez tatsächlich etwas Eigentümliches gesehen und es dem Tierarzt verschwiegen hatte, konnte Jack den alten Mann durchaus verstehen. Wegen der Gehirnschwellungen, die er bei der Obduktion der Waschbären gefunden hatte,

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