Wintermond
war während ihres Gesprächs kälter geworden. Plötzlich frischte sie zu einem pfeifenden Wind auf, der das braune Gras peitschte, Heathers Haar in ihr Gesicht wehte und eisige Nadeln in ihre Haut trieb.
»Travis«, sagte sie und gab ihm erneut die Hand, »wann können Sie denn mal zum Abendessen kommen?«
»Na ja, vielleicht nächste Woche Sonntag.«
»Also Sonntag in einer Woche«, sagte sie. »Sechs Uhr.« Zu Toby gewandt, fuhr sie fort: »Komm, Kleiner, gehen wir ins Haus.«
»Ich will mit Falstaff spielen.«
»Du kannst ihn im Haus kennenlernen«, beharrte sie. »Hier draußen ist es zu kalt.«
»Er hat doch ein Fell«, protestierte Toby.
»Um dich mache ich mir Sorgen, du Dummerchen. Dir erfriert die Nase, und dann ist sie so schwarz wie die von Falstaff.«
Der Hund trottete zwischen Heather und Toby einher, doch auf halbem Weg zum Haus blieb er stehen und drehte sich zu Travis Potter um. Der Tierarzt winkte mit einer Hand, und das schien für Falstaff die erwartete Erlaubnis zu sein. Er begleitete sie die Stufen hinauf und in die warme Diele. Travis Potter hatte einen Fünfzig-Pfund-Sack Trokkenfutter mitgebracht. Er hob ihn aus dem Range Rover und lehnte ihn gegen das Hinterrad. »Ich nehme an, Sie haben kein Hundefutter da, nur für den Fall, daß zufällig jemand mit einem Golden Retriever vorbeikommt.« Er erklärte Jack, was und wie viel ein Hund von Falstaffs Größe zu fressen bekam.
»Was sind wir Ihnen schuldig?« fragte Jack.
»Nichts. Er hat mich auch nichts gekostet. Ich tue nur dem armen Harry einen Gefallen.«
»Das ist nett von Ihnen. Danke. Aber was ist mit dem Hundefutter?«
»Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf. Falstaff wird im Lauf der Jahre seine Spritzen und Routineuntersuchungen brauchen. Wenn Sie ihn zu mir bringen, werde ich Sie schon genug schröpfen.« Grinsend schlug er die Heckklappe zu. Sie gingen auf die andere Seite des Rovers, um etwas Schutz vor dem scharfen Wind zu haben.
»Wie ich gehört habe, hat Paul Ihnen unter vier Augen von Eduardo und seinen Waschbären erzählt«, sagte Travis. »Er wollte Ihre Frau nicht beunruhigen.«
»Sie läßt sich nicht so schnell beunruhigen.«
»Dann haben Sie es ihr also gesagt?«
»Nein. Ich weiß selbst nicht, warum ich das unterlassen habe. Außerdem wir haben viel um die Ohren gehabt, ein schweres Jahr, viele Veränderungen. Außerdem hat Paul mir nicht so viel erzählt. Nur, daß die Waschbären sich seltsam verhalten haben, bei hellichtem Tag herauskamen, im Kreis herumliefen und dann einfach tot umkippten.«
»Ich glaube nicht, daß das alles war.« Travis zögerte. Er lehnte sich gegen die Seite des Rovers, winkelte das Knie ab und zog den Kopf etwas ein, um sich vor dem Wind zu schützen.
»Ich glaube, Eduardo hat mir etwas verschwiegen. Diese Waschbären haben sich seltsamer verhalten, als er es mir erzählt hat «
»Warum sollte er Ihnen etwas verschweigen?«
»Schwer zu sagen. Er war ein schrulliger alter Mann. Vielleicht...Keine Ahnung, vielleicht hat er etwas gesehen, worüber er nicht sprechen wollte. Vielleicht hat er gedacht, ich würde ihn auslachen. Er war ziemlich stolz. Er hätte nie etwas gesagt, weshalb man ihn ausgelacht hätte.«
»Haben Sie irgendwelche Vermutungen, worum es sich dabei handeln könnte ?«
»Nicht die geringste.«
Jack überragte das Autodach um Haupteslänge, und der Wind ließ sein Gesicht nicht nur taub werden, sondern schien eine Hautschicht nach der anderen abzuschälen. Er lehnte sich gegen den Wagen und beugte jetzt ebenfalls wie der Tierarzt die Knie. Die beiden Männer schauten sich nicht an, sondern ließen den Blick jeweils über das abschüssige Land im Süden hinausschweifen, während sie sich unterhielten. »Glauben Sie, wie Paul wohl auch«, sagte Jack, »daß Eduardo irgend etwas gesehen hat, das dann seinen Herzanfall auslöste? Etwas, das mit den Waschbären zu tun hat?«
»Und das ihn dazu gebracht hat, eine Schrotflinte durchzuladen, meinen Sie. Das würde ich nicht ausschließen. Gut zwei Wochen vor seinem Tod habe ich noch mit ihm telefoniert. Ein interessantes Gespräch. Ich habe ihn angerufen, um ihm die Testergebnisse über die Waschbären mitzuteilen. Es wurde keine bekannte Krankheit entdeckt...«
»Die Gehirnschwellung.«
»Richtig. Aber keine sichtbare Ursache. Er wollte wissen, ob ich nur Proben des Gehirngewebes zur Untersuchung eingeschickt oder eine volle Autopsie vorgenommen hatte.«
»Eine Autopsie des Gehirns?«
»Ja. Er hat
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